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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
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hatte er einerseits bereits beschlossen, sich von ihr zu trennen, sobald sie in eine Stadt kamen, wo er sie der Obhut eines Frauenordens überlassen konnte. Doch andererseits bäumte sich alles in ihm gegen diese Entscheidung auf. Konnte er seine Mission erfüllen und die mutige, junge Gräfin an seiner Seite behalten? Und was empfand sie für ihn? Sah sie den Mann in ihm oder nur den Beschützer, der sie sicher an ihr Ziel nach Rom brachte? Mit keinem Wort, mit keiner Geste hatte sie verraten, was in ihr vorging. Noch nie zuvor hatte er sich in einem solchen Dilemma befunden.
    „Was sind Eure Pläne, Chevalier?“, flüsterte Leonor angespannt und durchbrach seine Gedanken. Würde er sich in der nächsten Stadt von ihr trennen und sie ihrem Schicksal überlassen? Sie erschauderte bei dem Gedanken, denn weder wollte sie sich wieder allein durchschlagen müssen noch von ihm getrennt werden …
    „Zunächst reiten wir nach Genua“, beantwortete Robyn zögernd ihre Frage. „Dort hoffe ich, wie ich bereits sagte, ein Schiff zu finden, das Kurs auf Ostia nimmt und zudem groß genug ist, auch unsere Pferde zu transportieren.“
    „Ostia?“, fragte Leonor, die diesen Namen noch nie gehört hatte.
    „Das ist der Hafen unweit von Rom. Von dort aus ist es nicht mehr allzu weit bis zur Ewigen Stadt. Die Reise zur See ist erheblich kürzer und schneller als der beschwerliche Landweg. Der führt nämlich durch mancherlei Gebirgszüge, in denen es möglicherweise noch mehr Gesellen von der Art Trappatinos gibt“, erläuterte Robyn. „Oder man wird im Kerker gefangen gesetzt, bis jemand Lösegeld zahlt.“ Leonor fuhr zusammen. „Obwohl man auch nie weiß, was einen auf dem Meer alles erwartet“, fügte Robyn hinzu und erinnerte sich wieder einmal schaudernd an die stürmische Überfahrt nach England. Weiß Gott, er war kein Seefahrer, aber es war Eile geboten, und so würde er auch die Unannehmlichkeiten einer Schiffspassage auf sich nehmen.
    „Ich habe noch nie eine Seereise gemacht“, murmelte Leonor. „Das klingt sehr aufregend.“ Würde er sie mitnehmen oder in Genua ihrem Schicksal überlassen?
    „In der Tat, eine Fahrt auf dem Meer kann so allerlei unangenehme Überraschungen bereithalten“, erklärte Robyn. „Man weiß nie, wie die Winde wehen, und zudem können einem in diesen Gewässern Piraten den Garaus machen.“ Er sah, wie Leonor leicht zusammenzuckte, dann jedoch stolz den Kopf hob.
    „Nach all dem, was ich durchgemacht habe, können mich Piraten nicht schrecken“, sagte sie tapfer und überlegte, ob sie den Chevalier rundheraus bitten sollte, sie mitzunehmen. Doch ihr Stolz verbot ihr, zu bitten und zu flehen. So weit war sie aus eigener Kraft gekommen, und wenn er keinen Wert auf ihre Begleitung legte, würde sie eben wieder allein zurechtkommen müssen.
    „Ihr seid wirklich unerschrocken, Comtesse Leonor“, erwiderte Robyn. Soll ich es tatsächlich wagen, die Reise mit einer Frau fortzusetzen? fragte er sich erneut. Nein, das würde seine Mission behindern und verzögern. Und doch konnte und wollte er sich nicht von der faszinierenden Gräfin trennen, die so verwirrende Gefühle in ihm hervorrief.
    „Ich sehe nur eine Möglichkeit …“, begann er.
    „Oh, Chevalier, schickt mich nicht fort!“, rief Leonor, obwohl sie sich eben noch geschworen hatte, nicht zu bitten.
    „Wohlan denn, so steigt auf Euer Pferd … Comtesse“, sagte Robyn grinsend, „und begleitet mich weiter als … mein Knappe Leon.“
    Mit großen Augen blickte Leonor den Chevalier an und wartete auf eine Erklärung für diese ungewöhnliche Entscheidung. Doch der Ritter schwieg und schwang sich auf seinen Hengst.
    Nach einem glücklicherweise ereignislosen und nicht allzu anstrengenden Tagesritt näherten sie sich Genua.
    In der Hafenstadt angelangt, erkundigte sich Robyn nach einem anständigen Gasthof. Eine Händlerin auf dem Markt wies ihnen den Weg zu einem Albergo, wo sie sich den Reisestaub abwuschen und das Spätmahl einnahmen. Tarras und die Pferde waren gut in dem reinlichen Stall untergebracht, und alles schien in bester Ordnung.
    Doch als das Essen sich dem Ende näherte, wurde Leonor von einer seltsamen Unruhe erfasst. Bald würden sie die gemeinsame Schlafkammer aufsuchen. Nun, da der Chevalier wusste, dass sie eine Frau war – wie würde er sich verhalten?
    Auch Robyn gingen solche Gedanken durch den Sinn. Dass ein Ritter und sein Knappe dieselbe Kammer teilten, war durchaus an der Tagesordnung. Doch

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