Die Pilgergraefin
zarten Brüste erinnerte. Hatte der Herr ihm eine besondere Prüfung auferlegt, indem er ihm diese schöne Frau in Männerkleidung geschickt hatte?
Aber er war der Kurier des Königs und in eminent wichtiger Mission unterwegs! Von persönlichen Gefühlen durfte er sich da nicht leiten lassen – und sei die Versuchung in Gestalt einer hinreißenden Frau noch so groß.
Bei der nächsten Gelegenheit, sobald sie außer Gefahr waren, musste er sich von ihr trennen!
23. KAPITEL
W ährend sie schweigend weiter durch das schmale Tal ritten, fragte Leonor sich wiederum, wie der Ritter sich ihr gegenüber verhalten würde, nun, da er wusste, dass sie eine Frau war. Fände er es empörend, dass sie sich in Männerkleidung gehüllt hatte, oder würde er Verständnis für sie haben, wenn er ihre wahre Geschichte erfuhr? Und was würde sie tun, wenn er sie davonjagte? Obwohl sie ihn erst so kurze Zeit kannte, fühlte sie sich auf irgendeine Weise mit ihm verbunden. Ja, mitunter hatte sie sogar festgestellt, dass bei seinem Anblick ihr Herz schneller schlug. Was hatte das zu bedeuten? Wieder einmal kam ihr dieser merkwürdiger Traum in den Sinn – ein Engel, der zum Ritter wurde …
Unter gesenkten Lidern warf sie Robyn einen Seitenblick zu, doch der Chevalier saß, ganz in sich versunken, auf seinem Rappen und schien sie nicht wahrzunehmen.
Was sie nicht wissen konnte, war, dass all seine Gedanken sich in diesem Moment um sie drehten, dass er mit sich rang, weil er tiefes Verlangen für sie empfand, die ihm das Schicksal in Gestalt eines Knappen geschickt hatte. Kein Wunder, dass er bereits ein leises Begehren, das ihn zutiefst befremdete, verspürt hatte, als er ihre schlanke Gestalt das erste Mal erblickte. Streng hatte er sich damals zurechtgewiesen, denn solche Gedanken waren sündhaft!
Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte ihn starke Sehnsucht nach einer Frau erfasst – und nicht nur das! Irritiert schüttelte er den Kopf.
Natürlich hatte er bisher nicht wie ein Mönch gelebt, schließlich war er ein Mann in der Blüte seiner Jahre. Oft hatten schöne Frauen ihm Avancen gemacht, und er hatte ihre Gunst genossen. Doch keine hatte wirklich sein Herz berührt, und niemals hatte er sich ernsthaft danach gesehnt, sein Leben zu ändern, seine Tätigkeit als Kurier des Königs zu beenden und einen Hausstand zu gründen.
Nein, das konnte und durfte nicht sein! Das waren überaus gefährliche Gedanken! Er musste sich von Leon trennen.
Er atmete mehrmals tief durch, dann warf er wieder einen Blick zurück. Der Mond war verblasst, und über den Hügeln im Osten zeigte sich ein erster rötlicher Schimmer, der den Beginn eines neuen Tages ankündigte.
Gottlob, noch immer waren keine Verfolger in Gestalt von Reisigen Trappatinos zu sehen. Hatte der vielleicht gar keine Kämpen und hauste nur mit wenigen Dienstboten in seiner schauerlichen Feste? Immerhin hatte außer ihnen niemand beim Abendessen mit am Tisch gesessen. Nun, auf diese Frage würde er wohl niemals eine Antwort finden. Und wenn der Marchese Mannen hatte und sie zuvor mit seinem starken Würzwein abgefüllt hatte, dann wussten diese ja nichts von ihrer Flucht. Unwichtig, Hauptsache, sie waren entkommen und sicher auf dem Weg nach Genua.
Das Tal, das sie durchritten, wurde breiter, und in seiner Mitte erstreckte sich ein kleiner See, der in den Strahlen der aufgehenden Morgensonne golden glitzerte.
Robyn warf einen Blick auf seine Begleiterin, die noch immer die Fetzen ihrer Tunika zusammenhielt, um ihre Blöße zu bedecken.
Er deutete zu dem Teich und richtete zum ersten Mal seit ihrer Flucht das Wort an sie. „Ich glaube, wir sind nun außer Gefahr. Dort am Ufer des Sees werden wir Rast machen. Und während wir das Frühmahl einnehmen, erzählst du mir deine wahre Geschichte, Leon, und nennst mir deinen richtigen Namen“, sagte er rau. „Und hab Dank, dass du den Marchese mit dem Schemel attackiert hast. Er hätte mir in seiner blinden Wut tatsächlich gefährlich werden können“, setzte er hinzu.
Leonor nickte. „Bevor wir uns stärken, werde ich jedoch Eure Wunde versorgen, Sieur. Ihr seid ja ganz blutig im Gesicht“, verkündete sie.
„Ach, das ist nur ein Kratzer“, wehrte Robyn vehement ab. Um keinen Preis der Welt wollte er die zarten Finger seiner Begleiterin auf seiner Haut spüren. Denn dann hätte er für nichts mehr garantieren können.
„Und so sah ich, um mich zu schützen, denn keinen anderen Ausweg, als mir Männerkleidung zu
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