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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
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schwarze Finger aus der Einöde ragten, wenig Angenehmes bot. Der Himmel wölbte sich stahlblau über der Ebene, und unbarmherzig brannte die Sonne herab; kein schattiges Plätzchen weit und breit.
    Leonor rief sich die Worte des Seemannes in Erinnerung: „Ihr und Euer Schildknecht seid mir willkommen, um an Bord der ‚Else von Wismar‘ in Eure Heimat zurückzukehren. Gewiss, der Weg um die spanische Halbinsel herum ist weiter als der über Land, und in der Biskaya mag uns auch der ein oder andere Sturm erwarten. Aber die Reise wäre weniger anstrengend. Ihr könntet in Le Havre von Bord gehen und wärt im Nu in Paris.“ Feixend hatte er Leonor angesehen und hinzugefügt: „Und vielleicht bekommt Euer hübscher Knappe auch noch einmal Gelegenheit, sich als Meeresgöttin zu verkleiden.“
    Entsetzt hatte Leonor protestiert. Wenn das Leben als Knappe denn einen Vorteil brachte, so war es der, eine bequeme Tunika und eine Kappe tragen zu können anstelle langer Gewänder und des einengenden Gebendes. Kurz kam ihr sogar der Gedanke, zurück in der Heimat, eine neue Kopfbedeckung zu erfinden, sodass adlige Damen schmucke Kappen mit einer bunten Feder statt lästiger Hauben tragen könnten. Aber das war nur ein Hirngespinst – und außerdem hatte sie ja keine Heimat mehr. In Deutschland erwartete sie höchstens ein Nonnenhabit …
    „Ihr wisst ja nun, wie man Seeräuber vertreibt, Kapitän Hanns. Also zieht Euch gefälligst selbst dieses türkisblaue Monstrum an“, hatte sie dreist hinzugefügt.
    „Ein Pfundskerl, Euer Knappe“, hatte sich der Seebär an den Chevalier gewandt, nachdem sein Lachanfall vorüber war. „Ich werde ihn vermissen – genau wie Euch. Dank Euch ist die Reise recht kurzweilig verlaufen. Aber so Gott will, werden wir uns ja alsbald wiedersehen.“
    Robyn hatte bei Leonors frecher Antwort ein Lachen unterdrücken müssen, obwohl ihm angesichts der bevorstehenden Trennung weh ums Herz war.
    „So Gott will, Kapitän Hanns“, hatte er ernst geantwortet. „Es war mir eine Freude, Euch kennenzulernen und mit Euch zu reisen. Mögen Poseidon und alle Götter und … Göttinnen der Meere mit Euch sein“, hatte er augenzwinkernd in Anspielung auf Leonors Maskerade hinzugesetzt und sich in den Sattel geschwungen.
    Adomar, unruhig nach der langen Seereise, hatte darauf gebrannt, loszupreschen, und war aufgeregt hin und her getänzelt. Auch die beiden anderen Pferde und Tarras, so war es Leonor vorgekommen, schienen sich nach Bewegung zu sehnen.
    So war denn auch sie nach einem letzten Abschiedsgruß in den Sattel ihres Wallachs gestiegen, den sie wegen der kastanienbraunen Farbe seines Fells Maron genannt hatte, hatte sein Fell doch die Farbe reifer Kastanien … hm … fast wie das Haar des Chevaliers, und an der Seite des Ritters losgeritten.
    Und nun lag es vor ihr, das Ziel, um dessentwillen sie so viel Mühsal auf sich genommen hatte: Rom, die Ewige Stadt, die das Grab des heiligen Apostel Paulus beherbergte, der Ort, wo sie Vergebung für ihre Sünden und Frieden für ihre Seele finden wollte. Und von dem Mann Abschied nehmen musste, dem ihr Herz gehörte.
    Das letzte Stück Weg führte über eine uralte, von Pinien gesäumte Straße mit von unzähligen Hufschlägen glatt polierten Steinen, über die wohl bereits römische Legionen in den Kampf gezogen waren, um neue Provinzen für das Imperium zu erobern.
    Den gesamten Tagesritt über hatte Robyn sich meistens in Schweigen gehüllt, und Leonor sich immer wieder gefragt, was in ihm vorgehen, was er von ihr halten mochte. Gelegentlich spürte sie seinen Blick auf sich ruhen. Hielt er sie für ein lockeres Weibsbild, das sich nicht schämte, in Männerkleidung umherzulaufen? Auch wenn er wusste, warum sie dies hatte tun müssen? Zwar hatte sie ihm ihre Geschichte erzählt, sich jedoch recht kurz gefasst. Warum stellte er ihr keine weiteren Fragen? War er denn gar nicht neugierig? Oder hatte er als Kurier des Königs gelernt, stets äußerste Diskretion zu wahren? Wartete er darauf, dass sie ihm von sich aus Einzelheiten erzählte?
    Oder war sie ihm so gleichgültig, dass es ihn einfach nicht interessierte?
    Endlich brach er das quälende Schweigen und deutete auf die Mauern von Rom. „Sieh, Leon, nur noch eine kleine Weile, und wir haben unser Ziel und das Ende unserer Reise erreicht.“
    Leonor kam es vor, als hätte seine Stimme ein wenig traurig geklungen – oder bildete sie sich das nur ein?
    „Wart Ihr zuvor schon einmal hier?“,

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