Die Pilgergraefin
paar Münzen, damit sie etwas Nahrung für sich und vor allem für ihr Kind kaufen konnte, und hoffte, dass die Strauchdiebe sie ihr nicht wieder abnahmen, um sich zu besaufen.
Die Frau küsste ihm die Hände, was ihm peinlich war, und verschwand mit ihrem Kind in der Ruine.
Ein Winseln lenkte Leonors und Robyns Aufmerksamkeit auf Tarras.
Entsetzt schrie Leonor auf, als sie Blut an der Schulter des Hundes entdeckte, der am Boden lag. Oh, Himmel! Hoffentlich war er nicht tödlich verletzt! Hilfe suchend blickte sie zum Chevalier, der sich sogleich neben den Hund kniete, um die Wunde zu untersuchen.
Doch schon bald konnte er Leonor beruhigen. „Sein dickes Fell hat ihn gerettet, das Messer ist nicht tiefer eingedrungen. In Aurels Satteltaschen befindet sich ein schwarzer Tiegel mit Salbe. Die wird verhindern, dass die Wunde eitert.“
Sogleich eilte Leonor zu dem Packpferd und kehrte schnell mit dem Balsam zurück, den Robyn geschickt auf die Verletzung auftrug. Kaum hatte er Tarras verarztet, sprang dieser auch schon wieder auf die Beine und leckte ihm dankbar die Hände.
„Fühlst du dich bereit weiterzureiten?“, wandte Robyn sich an Leonor. „Vielleicht schaffen wir es trotz dieses kleinen Zwischenfalls, Rom noch heute zu erreichen.“ Er setzte eine gespielt strenge Miene auf. „Allerdings werde ich mir noch eine passende Strafe für dich einfallen lassen müssen, Knappe Leon, da du dich meinem Befehl widersetzt hast.“
Leonor sah ihn verständnislos an.
„Ich hatte dir befohlen, hinter den Pferden Schutz zu suchen“, erklärte Robyn.
„Aber was hätte ich dort ausrichten können?“, fragte Leonor etwas trotzig, denn sie wusste sehr wohl, dass ein Knappe seinem Ritter in jedem Fall Gehorsam schuldete, selbst wenn dieser etwas völlig Unsinniges anordnete. „Immerhin habe ich einen der Männer unschädlich gemacht – dank der Wurftechnik, die Ihr mir beigebracht habt.“
Robyn grinste. „Nun, so wollen wir es für diesmal gut sein lassen, denn du hast dich in der Tat sehr tapfer und umsichtig verhalten. Doch wie sieht es aus? Können wir aufbrechen?“
Leonor nickte, pfiff nach Maron, der sich auch sogleich näherte, und saß auf. Ihre letzten Kräfte hatte sie während des Überfalls aufgebraucht. Bleierne Müdigkeit hatte von ihr Besitz ergriffen, und auch der Chevalier wirkte erschöpft. Doch sie biss die Zähne zusammen.
Erleichtert, dass sie den Raubüberfall ohne Blessuren überstanden hatten, setzten sie ihren Ritt fort. Besorgt blickte Leonor zu ihrem Hund, der als Einziger verwundet worden war und ihnen leicht hinkend und mit hängender Zunge folgte.
Kurz vor Einbruch der Dämmerung gelangten sie tatsächlich noch an eines der Stadttore, wo Robyn sich bei der Wache auf Italienisch nach einer Herberge erkundigte.
Der Mann kratzte sich am Kopf und schnalzte mit der Zunge. „Da werdet Ihr wenig Glück haben, Signore. In der Stadt wimmelt es nur so von Pilgern – zwar sind es nicht so viele wie anno 1300, dem heiligen Jahr, in dem, so erzählt man sich, Hunderttausende die Stadt überschwemmten –, dennoch sind die meisten Gasthäuser überfüllt.“
„Das habe ich bereits befürchtet“, gab Robyn ihm recht und nahm aus dem Beutel an seinem Gürtel eine Münze. „Aber ich bin sicher, mein Freund, du weißt, wo wir Obdach finden können.“
Beim Anblick des Geldstückes glitzerten die Augen des Torwächters. „Nun, werter Herr, wenn Ihr mit einer einfachen, aber sauberen Unterkunft zufrieden seid, so kann ich Euch das Haus meiner Base Lucia empfehlen. Sie hat sogar einen Stall, wo Ihr Eure Pferde und …“, er warf einen abschätzigen Blick auf den riesigen Hund, „… diese Töle unterbringen könnt.“
Robyn nickte. „Wohlan denn, dieser Silberpfennig gehört dir, wenn du mir den Weg beschreibst.“
Mit einem schnellen Wortschwall und ausholenden Gesten kam der Mann der Aufforderung nach.
Robyn warf ihm den Silberling zu und sah noch, wie der Wächter ihn zwischen die Zähne schob, um dessen Echtheit zu überprüfen.
„Komm, Leon. Wie es aussieht, haben wir ein Quartier gefunden. Nach dem anstrengenden Ritt freue ich mich auf ein kräftiges Mahl und ein bequemes Nachtlager.“
Nachtlager, ging es Leonor durch den Sinn. Wie mochte es aussehen? Würden sie diesmal eine Kammer – und ein Bett – teilen?
27. KAPITEL
W ährend ihres Ritts durch die altehrwürdige Stadt, die Leonor einerseits imposant, andererseits auch ziemlich heruntergekommen fand –
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