Die Pilgergraefin
Schildknecht ist …“ Der sonst eher wortkarge Seemann setzte seinen Redeschwall fort: „Wie gut, dass ich diesen Kleiderstoff für meine Frau erworben habe. Und dann dieser wirklich Furcht erregende Dreizack und Euer Hund als Zerberus …“
Grinsend packte Robyn den aufgeregten Mann bei den Oberarmen und schüttelte ihn ein wenig. „So beruhigt Euch doch, Kapitän Hanns. Mit Gottes Hilfe und einer kleinen List …“
„Und was ist mit mir?“, erscholl es vom Bug des Schiffes. „Wie lange soll ich hier noch in dieser lächerlichen Aufmachung verharren?“
Leonor!
„Und natürlich dank meines mutigen Knappen haben wir die abergläubischen Piraten in die Flucht geschlagen. Komm her, Leon. Und auch bei Tarras wollen wir uns bedanken, denn er hat wahrhaftig einen großartigen Höllenhund abgegeben.“ Robyn warf den Kopf in den Nacken und lachte aus vollem Hals.
Auch er war zutiefst erleichtert, dass die Piraten auf die Maskerade hereingefallen waren und es kein blutiges Gemetzel gegeben hatte. Er war sich keinesfalls sicher gewesen, ob das Spektakel funktionieren würde, doch angesichts der Übermacht der schwer bewaffneten Korsaren hatten sie keine andere Wahl gehabt.
Und noch etwas anderes erfreute ihn zutiefst: Seine Befürchtung, Leonor könnte Unglück anziehen, war mit ihrem Erfolg gegen die Seeräuber in seinen Augen widerlegt. Sie hatte sich einfach großartig verhalten und so mutig, wie er es zuvor noch bei keiner Frau – und nur wenigen Männern – erlebt hatte.
Langsam näherte sich Leonor dem Chevalier und dem Kapitän und war froh, die lästige Verkleidung bald wieder loszuwerden. Nach und nach fiel die Anspannung auch von ihr ab. Wie gut, dass die Piraten aus der Entfernung nicht hatten sehen können, dass sie am ganzen Leibe gezittert hatte. Nur Tarras war die Ruhe selbst gewesen.
„Habt Dank, Junker Leon, dass Ihr mitgespielt habt. Bestimmt war es fürchterlich für Euch, Euch als Frauenzimmer verkleiden und diesen Kopfputz aufsetzen zu müssen.“
Wenn du wüsstest, dachte Leonor, tat aber das Ganze mit einer beiläufigen Handbewegung ab, als ob sie tatsächlich ein abenteuerlustiger Jüngling sei, und verkündete großspurig: „Ein nettes Intermezzo, Kapitän. Insgesamt finde ich Seereisen doch eher langweilig.“ Sie wunderte sich über sich selbst. Wie sehr hatte sie sich doch verändert, seit sie von Burg Eschenbronn aufgebrochen war. Doch ihre neuen Seiten gefielen ihr, und alles in allem fühlte sie sich weitaus freier und zufriedener als früher, da sie sich den Frauen vorgeschriebenen Konventionen hatte beugen müssen.
Hanns von Wismar klopfte sich auf die Schenkel ob des jungen Großmauls, und Robyn bewunderte Leonor wegen ihrer Kaltblütigkeit.
Was für eine Frau! Schön wie der lichte Morgen und mutig wie der kühnste Ritter. Sein Herz flog ihr zu. Doch dann erfasste ihn Trauer. Denn sie würden nur noch wenige Tage miteinander verbringen – und sich dann für immer trennen müssen …
Ein Geräusch riss ihn aus seinen Gedanken.
Kapitän Hanns hatte in die Hände geklatscht. „Kommt her, Männer, die Gefahr ist vorüber.“ Er hatte zuvor seiner Besatzung befohlen, sich nicht zu zeigen, damit die Piraten die „Else von Wismar“ auch tatsächlich für ein Geisterschiff hielten. Ein Befehl, dem die im Kampf unerfahrene Besatzung nur zu gern gefolgt war. „Gebt dem Hund ein Stück Trockenfleisch. Und uns allen wird ein Becher Rotspon aus dem Fässchen, das ich für außergewöhnliche Ereignisse an Bord habe, guttun. Wenn das mal kein außergewöhnliches Ereignis und Anlass zum Feiern ist.“
Das ließen sich die Seeleute nicht zweimal sagen, und schon bald stießen alle außer Leonor, die gegangen war, um das hastig zusammengenähte Frauengewand loszuwerden, auf die glückliche Rettung an, die sie dem gewitzten Ritter aus Frankreich und seinem mutigen Knappen zu verdanken hatten.
26. KAPITEL
I m Licht der schon tief stehenden Sonne ragten, wenn auch noch in etlicher Entfernung, die Mauern der Ewigen Stadt vor ihnen empor. Leonor, die nie zuvor einen größeren Ort als Freiburg betreten hatte, kamen sie riesig vor. Sie schienen kein Ende und keinen Anfang zu haben.
Nach dem herzlichen Abschied von Kapitän Hanns, der in Ostia noch einige Tage verweilen würde und sie eingeladen hatte, als Gäste auf seinem Schiff die Rückreise anzutreten, waren sie schweigend durch eine sumpfartige Landschaft geritten, die dem Auge außer ein paar Zypressen, die wie riesige
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