Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
Vom Netzwerk:
erkundigte sie sich, damit nicht erneut Schweigen aufkam.
    „Nein, nach Rom haben mich meine Missionen bisher nicht geführt. Aber da die Stadt längst nicht mehr so groß und bevölkert ist wie zur Cäsarenzeit, als eine Million Menschen in ihr lebten, dürfte es nicht schwer sein, sich zurechtzufinden. Allerdings“, fuhr er fort, „hat die Stadt einen neuen Aufschwung erlebt, seit wahre Pilgerscharen zum Grab des heiligen Apostel Paulus streben. Ich hoffe, wir finden eine anständige Unterkunft für die Nacht.“
    Leonor wurde kurz abgelenkt, da Tarras hinter einem Kaninchen herjagte. Auch wenn er ein Hütehund und kein Jagdhund war, machte es ihm anscheinend Spaß, eine Katze oder ein Karnickel zu verfolgen. Sie pfiff ihn zurück, denn seit sie mit dem Chevalier reiste, war die Zeit des Hungerns vorbei, und Tarras musste keine Beute mehr erjagen. Sie spürte sogar, dass ihr die Tunika etwas eng saß, da sie nach all den Entbehrungen, die sie in den Alpen hatte durchmachen müssen, wieder ein wenig zugenommen hatte und nicht mehr ganz so mager war.
    Erschöpft von dem langen Ritt in sengender Sonne, hofften Leonor und Robyn, die Ewige Stadt noch zu erreichen, bevor die Tore geschlossen wurden. Die müden Pferde ließen die Köpfe hängen, gingen nur noch im Schritt, und Tarras trottete hinter ihnen her.
    Hatte es zuvor so ausgesehen, als läge Rom ein kleines Stück entfernt, schien es ihnen nun, als kämen sie der Stadt kaum näher.
    Um sich abzulenken, blickte Leonor um sich und entdeckte etwa hundert Fuß zu ihrer Rechten ein verfallenes Gebäude, das sie für die Überreste einer römischen Villa hielt. Es war von Schatten spendenden Pinien umgeben. Zu gern hätte sie dort eine Rast eingelegt, doch dann würden sie Rom wohl kaum mehr vor Einbruch der Dunkelheit erreichen.
    Ein plötzlich aufkommender Windzug brachte ein wenig Kühlung – und trug ein Geräusch heran. Seltsam, es klang wie das Wimmern eines Kindes …
    „Habt Ihr das auch gehört, Chevalier?“, wandte sie sich an ihren Begleiter.
    Robyn schrak aus dem Halbschlaf hoch, in den er gefallen war – eine gute Methode, Kräfte zu sparen, wenn man durch eine Gegend ritt, in der einem voraussichtlich keine Gefahren drohten, und damit rechnete er so kurz vor der Stadt nicht mehr.
    „Was gehört?“, fragte er etwas unwillig, weil er aus seinem Dösen herausgerissen worden war.
    Inzwischen hatten sie die Ruine fast erreicht, und nun war das Wimmern deutlicher zu hören, sodass auch Robyn, nun wieder hellwach, es deutlich vernahm.
    „Ach, wahrscheinlich ist es irgendein Vogel. Oder ein verletztes Tier.“
    „Einen solchen Vogelruf habe ich noch nie gehört“, sagte Leonor. „Und wenn es ein verletztes Tier ist, sollten wir ihm dann nicht helfen?“ In diesem Augenblick entdeckte sie ein grau-braunes Etwas, das aussah wie eine alte Decke und von dem die wimmernden Geräusche auszugehen schienen. „Seht doch, Sieur, dort …“
    Robyn kniff die Augen zusammen, erblickte jedoch nichts als das schmutzfarbene Bündel, das sich indes merkwürdigerweise bewegte. „Wahrscheinlich hat dort jemand einen kleinen Hund ausgesetzt …“
    „… oder einen Säugling“, fiel Leonor ihm ins Wort, denn das Wimmern klang sehr menschlich. „Wir müssen nachsehen“, sagte sie entschlossen. „Ob Kind oder Tier, es bedarf unserer Hilfe.“ Und schon schwang sie sich aus dem Sattel.
    „Nein!“, versuchte Robyn sie aufzuhalten. „Warte! Es könnte eine Falle sein.“
    Doch Leonor eilte bereits auf das Bündel zu und rief nur über die Schulter zurück: „Welche Gefahr sollte uns schon von einem Welpen oder einem Säugling drohen?“
    Robyn saß ebenfalls ab, umfasste jedoch das Heft seines Schwertes. Schließlich konnte man nie wissen …
    Just in dem Augenblick, da Leonor sich über das Bündel beugte und rief: „Es ist tatsächlich ein kleines Kind!“, stürmten aus der verfallenen Villa mehrere abgerissene Gestalten, die, Kampfschreie ausstoßend, Knüppel und Messer schwangen.
    Nun wich auch noch der allerletzte Rest von Schläfrigkeit von Robyn. „Ein Hinterhalt!“, schrie er warnend in Richtung Leonor. „Bring dich hinter den Pferden in Sicherheit!“ Rasch nahm er die Strauchdiebe in Augenschein. Waren es fünf oder gar sechs? Die nur unzureichend bewaffneten Männer wären kein Problem für ihn gewesen, hätte er noch auf Adomar gesessen. Dann hätte er die Angreifer mit einigen Hieben vertrieben oder sie einfach nur niedergeritten. Doch nun

Weitere Kostenlose Bücher