Die Pilgergraefin
der arabischen Gelehrten hatten ihn stark beeindruckt, insbesondere das der Mathematiker, Astrologen und Ärzte. Doch beim Wort „Ärzte“ mochte er sich die Fahrt ins Morgenland nicht weiter ausmalen, denn beinahe hätte er dort sein rechtes Bein verloren … Und auf der Heimreise war zudem sein Knappe Gérard gestorben. In einem Sumpfgebiet hatte sich dieser ein tückisches Fieber zugezogen, dem er nach einigen Tagen erlegen war. Er hatte seinen Schildknecht sehr geschätzt und war zutiefst erschüttert gewesen. Außerdem war es ihm schwergefallen, den jungen Reisegefährten in fremder Erde bestatten und zurücklassen zu müssen. Und noch einmal schlimmer war es gewesen, die Eltern Gérards über den Tod des einzigen Sohnes in Kenntnis setzen zu müssen.
Nein, da wollte er sich lieber eine erfreulichere Mission ins Gedächtnis rufen. Zum Beispiel die nach Flandern! Eigentlich keine besonders weite Reise im Vergleich zu den anderen. Doch sie blieb ihm unvergesslich, weil er in Brügge bei einem Gastmahl die schöne Amalia kennengelernt hatte, eine junge Witwe, die ihm freizügig ihre Gunst geschenkt hatte. Er vermutete, dass die blonde Flämin ihn aus Trotz in ihr Bett eingeladen hatte – oder vielleicht auch, um ein einziges Mal im Leben mit einem Mann ihrer Wahl die Freuden der Liebe zu erleben. Denn ihr Vater plante bereits eine zweite Ehe für sie, die ebenfalls ganz auf geschäftlichen Motiven gründete.
Die flandrische Mission war eine seiner leichteren Aufträge gewesen. Auch dabei war es um den Krieg zwischen Frankreich und England gegangen, denn die reichen Kaufleute der Stadt, insbesondere die Tuchhändler, sahen ihren florierenden Handel bedroht und fürchteten, ihre Vormachtstellung zu verlieren. Aber nein, auch sein Aufenthalt in Brügge war keine wirklich erfreuliche Erinnerung. Denn so erfüllend und leidenschaftlich die Nächte in Amalias Bett auch gewesen waren, so schmerzlich war der Abschied ausgefallen, der unweigerlich folgte, als er Flandern wieder verlassen und nach Paris zurückkehren musste, um seinem Souverän Bericht zu erstatten. Wie mochte es Amalia seitdem ergangen sein? Hatte sie sich tatsächlich mit dem wohlhabenden Kaufherrn vermählt, den ihr Vater als zweiten Gemahl für sie ausersehen hatte? Sehr erfreut hatte sie sich über die geplante Heirat mit dem doppelt so alten Mann jedenfalls nicht gezeigt.
Robyn seufzte. Nein, das Los der Frauen war kein leichtes. Stets hatten sie sich zu fügen, zuerst dem Vater, dann dem Gatten, der Erben und stetigen Gehorsam von ihnen erwartete. Wie gut war es da doch, als Mann auf die Welt gekommen zu sein und somit ein aufregendes, abwechslungsreiches Leben führen zu können, wenngleich er auch keine großen Aussichten auf Besitz oder Reichtum hatte, es sei denn, der König …
Adomar stolperte und riss ihn aus seinen Überlegungen.
Inzwischen muss ich mich schon nahe der Grenze zum Herzogtum Mailand befinden, dachte Robyn.
Der Ritt von Avignon hierher hatte ihn durch schöne Landschaften geführt, die so ganz anders waren als die, die er aus dem Norden seiner Heimat kannte. Hohe Berge reichten stellenweise bis an den Saum des Meeres, das in allen möglichen Blau- und Grüntönen in der Sonne funkelte. Gewiss hätte sich auch seine Schwester Isabeau an der Schönheit der Mittelmeerküste oder der Provence, die er zuvor durchquert hatte, erfreut. Etwas wehmütig dachte er an die lebhafte, wissbegierige Sechzehnjährige, die ihm von seinen vier Geschwistern – zwei älteren Brüder und zwei jüngeren Schwestern – das liebste war. Besonders das Licht hätte ihr gefallen. Es war hier so viel heller, strahlender und freundlicher. Gleichzeitig war es aber auch deutlich heißer hier, und so musste er sich häufig die Schweißtropfen von der Stirn wischen. Sicher trug die schwüle Hitze auch Schuld daran, dass sein Hengst Adomar immer langsamer wurde.
Doch nein, er wurde nicht nur langsamer, sondern fing an zu lahmen.
Hoffentlich würde Adomar nicht schlappmachen! Ohne ihn könnte er seine Reise nur schwerlich fortsetzen, denn ein zweites so gutes und hervorragend ausgebildetes Pferd würde er auf die Schnelle kaum finden. Hatte das Tier sich irgendwo eine Verletzung zugezogen? Fieberhaft überlegte Robyn, ob der Hengst irgendwann umgeknickt war. Doch es fiel ihm nichts ein. So lenkte er Adomar an den Wegesrand, saß ab und untersuchte die Hufe des Pferdes. Erleichtert atmete er auf, als er die Ursache für Adomars Lahmen entdeckte: Er
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