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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
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auszusprechen.
    Robyn überließ die beiden sich selbst und ihrer Wiedersehensfreude und begab sich hinauf in die Kammer zu Jérôme.
    Während Leonor sich immer freudiger der ersten menschlichen Behausung seit Langem näherte, blieb Tarras immer weiter hinter ihr zurück.
    Endlich hatte sie das erste Gebäude des Weilers, der nur aus vier geduckten Hütten bestand, erreicht. Enttäuscht stellte sie fest, dass niemand sich blicken ließ. Hatten die Bewohner das Dörfchen aufgegeben, weil die Lebensbedingungen in dieser Gegend allzu hart waren? Sie sah auch keine Stallungen oder Tiere, die in der Nähe der Hütten angepflockt waren. Keinen Hund, der bellte, keinen Hahn, der krähte.
    Plötzlich trat ein Mann aus dem größten der Steinhäuschen. Bekleidet mit einem Umhang aus Schafsfell, einem ledernen Wams und verschlissenen Beinlingen, baute er sich vor ihr auf und starrte sie grimmig an.
    Leonor schrak zurück, schaute sich nach Tarras um, der jedoch verschwunden war, und hob dann den Blick zu dem Furcht einflößenden Riesen.
    In einer ihr fremden, kehligen Sprache herrschte er sie an.
    Leonor zuckte zusammen und versuchte es auf Französisch, doch der Mann reagierte nicht. Nun raffte sie ihr Latein zusammen, das sie während der Lehrstunden ihres Bruders aufgeschnappt hatte. Es kam ihr vor, als verstünde der bedrohliche Mann das ein oder andere Wort, doch er reagierte nicht auf ihre Bitte nach ein wenig Essen und einem Trunk frischen Wassers.
    Nun versuchte sie, die Tochter des Vicomte de Guiémar und Witwe des Grafen von Eschenbronn, die nie zuvor in ihrem Leben um etwas hatte betteln müssen, es mit bittenden Gebärden, die gewiss ein jeder Christenmensch verstand. Aber der Mann blieb unerbittlich, hob den Arm und bedeutete ihr unmissverständlich, den Ort zu verlassen und weiterzuziehen.
    Leonor konnte so viel Hartherzigkeit nicht fassen. Schließlich war sie ohne jede Begleitung, stellte keinerlei Gefahr dar und bat doch nur um ein wenig Speise und einen kühlen Trunk zur Erfrischung. Erneut machte sie eine Geste, die Hunger und Durst andeutete. Doch statt eines Bechers mit Wasser wurde ihr nun eine ganze Ladung zuteil, denn der Mann hatte hinter sich nach einer in ein Fass getauchten Kelle gegriffen und ihr das kostbare Nass mitten ins Gesicht geschüttet.
    Niedergeschlagen gestand Leonor sich ein, dass ihr hier wohl niemand helfen würde. Wenigstens schien der Mann keine Absicht zu haben, über sie herzufallen. Auf dem Absatz machte sie kehrt und floh, wie von Furien gehetzt, durch den Weiler.
    Als sie das letzte Haus erreichte, das ein Stück abseits der anderen düsteren Steingebäude lag und kaum mehr als eine Hütte aus grob behauenen Balken war, verlangsamte sie ihre Schritte, um ein wenig Luft zu holen. Vorsichtig schaute sie sich um, ob der grobschlächtige Mann ihr folgte, konnte ihn aber nirgends sehen – ebenso wenig wie Tarras. Hatte er sie ebenso plötzlich wieder verlassen, wie er auf der Passhöhe aufgetaucht war?
    Sie blickte erneut nach vorn, um ihren Weg etwas langsamer fortzusetzen, und entdeckte ein altes verhutzeltes Weiblein in einem groben braunen Kittel, nicht unähnlich dem, den sie selbst seit ihrer Flucht aus Burg Eschenbronn trug.
    Die Alte machte sich an einem gemauerten Backofen zu schaffen, dem, wie Leonor jetzt erst bemerkte, ein herrlicher Geruch entströmte.
    Hmm, frisches Brot! Ihr lief das Wasser im Munde zusammen. Durfte sie es wagen, die Frau um ein Stück – oder gar einen Laib – zu bitten? Sie nahm all ihren Mut zusammen. Schließlich reichte die Alte ihr kaum bis zur Schulter und konnte ihr – im Gegensatz zu dem vierschrötigen Mann – nicht gefährlich werden.
    Langsam näherte sie sich der Alten, die nun von ihrer Tätigkeit, die fertigen Brote mit einem Schieber aus dem Ofenloch zu befördern, aufsah. Bittend streckte Leonor eine Hand aus und fuhr sich mit der anderen über den Leib, um mit dieser Geste anzudeuten, dass sie Hunger hatte.
    Misstrauisch blickte Zenobia das Mädchen an. Dass der Hunger es plagte, verrieten die eingefallenen Wangen und die übergroßen Augen. Durfte sie es wagen, der jungen Frau – Gott mochte wissen, wie sie sich hierher verirrt hatte – eines der Brote zu geben? Was, wenn Vigo dahinterkam, für den sie die Brote buk? Er war ein jähzorniger, gewalttätiger Mann und würde sie genauso schlagen wie seinen Hund, den er heftig und häufig geprügelt hatte. Doch nun hatte das Tier sich aus dem Staub gemacht, um seinem

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