Die Pilgerin von Montserrat
Friedrich, Albrecht und Gisèle über den Bosporus gesetzt hatten, um Antiochia, Crac des Chevaliers und andere Burgen einzunehmen, bis sie nach Jerusalem kamen.
Teresa schaute über die Meerenge, konnte am anderen Ufer einzelne weißgetünchte Häuser erkennen.
»Das älteste Baudenkmal Konstantinopels ist die Konstantinsäule«, erzählte Saloman, während sie vom Kai weg in die Stadt gingen. »Sie war ursprünglich etwa hundertfünfzig Fuß hoch. Der Kopf des Sonnengottes Helios darauf wurde von sieben Strahlen umkränzt, das Innere barg einen Splitter vom Kreuz Christi. Im Jahr 1105 wurde die Säule bei einem Unwetter zerstört und durch ein Kreuz ersetzt. Am Tag der Eroberung durch Sultan Mehmed II. versammelten sich die Bewohner frühmorgens um dieses Kreuz, um auf die Rettung durch den Engel des Herrn zu warten.«
»Es geht ums Überleben, darin gleichen sich die Religionen«, sagte Markus.
»Es gibt noch weitere Ähnlichkeiten«, fuhr Saloman fort. »Im Jahr 330 ließ Konstantin I. eine bronzene Schlangensäule aus Ägypten im Hippodrom aufstellen. Die goldene Schale, die sie trug, wurde während des 4. Kreuzzuges geraubt.«
»Jede Religion hatte doch ihre eigenen Reliquien«, warf Teresa ein. »Warum haben die Menschen sie nicht einfach behalten, warum mussten sie immer diejenigen der anderen für sich haben wollen?«
»Das ist eine Frage, die sich nicht leicht beantworten lässt«, sagte Saloman. »Es ist, so glaube ich, eine Sache der Angst und der Macht.«
»Weil die Menschen seit jeher das Gold angebetet haben«, meinte Markus, »und nicht den wahren Gott, nicht die Wahrheit.«
»Damit habt ihr meine volle Zustimmung«, antwortete Saloman. »Die drei monotheistischen Religionen haben nur einen Gott und damit auch nur einen Teufel. Sie könnten sich darauf einigen, dass sie dasselbe anbeten. Worüber sie sich streiten und die Köpfe einschlagen, ist die Auslegung. Auch die Menora ist das Zentrum der Wahrheit, wie der Abendmahlskelch, wie der heilige Gral oder das Schweißtuch der Veronika. Die äußere Reise – auch die Wallfahrten nach Rom, nach Jerusalem und Santiago de Compostela – symbolisieren diesen Weg zu Gott, zum wahren Selbst, das in uns unsterblich ist und uns mit allen andern, mit der Welt verbindet. Erinnert Euch an den Garten Eden auf der Burg Alamut! Ist es nicht ein Paradies, wie es auch die Christen oder die Juden hätten beschreiben können? Es fehlten nur die Huri, die schönen Jungfrauen, welche die Helden des Alten vom Berge verwöhnten, damit sie gern in den Tod gingen. Auch bei den Christen finde ich immer wieder diese Todessehnsucht, die Freude darüber, bald aus dem Jammertal ins Paradies eintreten zu können.«
Markus blieb stehen, als hätte er einen plötzlichen Einfall gehabt. Die Menschen drängten sich an ihnen vorbei, verkauften ihre Waren, redeten und schrien miteinander. Die Kinder spielten mit Murmeln und Reifen, Schuhputzer priesen lärmend ihre Dienste an, und wie in Jerusalem und überall drang das Klopfen und Hämmern der Zimmerer aus den Läden, erklangen die Rufe der Wasserträger, zischten und brutzelten die Speisen.
»Die Zahl sieben ist bei allen magisch«, sagte Markus. »Gott erschufdie Welt in sieben Tagen, sieben Stufen müssen die Menschen durchlaufen, bevor sie bei den Muslims ins Paradies eingehen, und die Menora hat sieben Arme.«
Teresa fühlte sich ihm in diesem Augenblick sehr nah, wie sie sich seit der Flucht aus dem Garten ihm näher denn je gefühlt hatte. Sie wusste nur nicht, wie es zwischen ihnen beiden weitergehen sollte, wagte nie, ihn zu berühren oder zu lange mit ihm allein zu sein.
»Die Zahl sieben steht bei uns für die Weisheit Gottes oder für etwas, das aus dem Ratschluss Gottes entstanden ist«, ergänzte Saloman. »Ich habe die Bibelstelle über die Erschaffung der Menora im Kopf. Zweites Buch Mose, Exodus 25, 31–40. Du sollst auch einen Leuchter aus feinem Golde machen, Fuß und Schaft in getriebener Arbeit, mit Kelchen, Knäufen und Blumen. Sechs Arme sollen von dem Leuchter nach beiden Seiten ausgehen, nach jeder Seite drei Arme. Jeder Arm soll drei Kelche wie Mandelblüten haben mit Knäufen und Blumen. So soll es sein bei den sechs Armen an dem Leuchter. Aber der Schaft am Leuchter soll vier Kelche wie Mandelblüten haben mit Knäufen und Blumen und je einen Knauf unter zwei von den sechs Armen, die von dem Leuchter ausgehen. Beide, Knäufe und Arme, sollen aus einem Stück mit ihm sein, lauteres Gold in
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