Die Pilgerin von Montserrat
nachgedacht«, sagte er. »Auch über deine Vorfahren. Gleich am Anfang seiner Chronik sprichtFriedrich von seiner und seines Bruders Absichten, mit denen sie diese Wallfahrt antraten. Albrecht hatte schon seit Wochen darauf gebrannt, nach Jerusalem aufzubrechen. Nach Einschätzung seines Bruders versprach er sich großen Reichtum von diesem Pilgerzug, während es Friedrich um die Befreiung des Heiligen Grabes von den Ungläubigen ging. Manchmal stand Albrecht in den Anblick Gisèles versunken da, und wenn Friedrich ihn anrief, murmelte er sinnloses Zeug und eilte davon, um sich mit den anderen Männern am Branntwein zu berauschen. Friedrich gewann den Eindruck, dass sein Bruder immer gieriger nach Gold und Mädchen wurde. – Keine Sorge, ich habe keinerlei Gelüste, die Menora noch zu finden«, versicherte Markus. »Die liegt sicher etliche Klafter unter der Erde, irgendwo in Jerusalem oder Palästina. Ich glaube jedoch, dass in dem Verhältnis der beiden Brüder zueinander der Schlüssel zum ganzen Geheimnis liegt.«
»Aber diese Chronik enthält nicht die Wahrheit, wie uns Gabriel de Montaña glaubhaft bewies!«
»Nur der Teil, der die Nacht im Felsendom beschreibt, ist gefälscht oder – sagen wir mal – geschönt. Laut Bericht des Augenzeugen kam es zu einem entscheidenden Kampf zwischen den beiden, im Verlauf dessen Albrecht niedergeschlagen wurde und Friedrich mit dem Kandelaber und seiner toten Geliebten, die ihm ein Kind geboren hatte, entschwand. Was passierte danach?«
»Sag es mir noch einmal, bitte.«
»Albrecht schien von einem wahren Blutrausch erfasst zu sein. Über den Einzug in Jerusalem schreibt Friedrich, dass Albrecht einen Muslim nach dem anderen in den Brunnen hinabwarf. Eines seiner Opfer packte ihn bei den Haaren und riss ihn mit sich hinab. Das ist die erste Unwahrheit. Albrecht kam nicht auf diese Weise ums Leben, er kam auch nicht im Felsendom ums Leben, aber Friedrich glaubte, dass er ihn erschlagen hatte. Der Augenzeuge hat berichtet, dass Gisèle ein Kind zur Welt brachte und Friedrich nach dem vermeintlichen Tod seines Bruders ihren Körper und die Menora aus dem Dom schaffte. Nehmen wir einmal an, Albrecht seinach dem Kreuzzug in die Heimat zurückgekehrt. Dort, auf der Stammburg der Wildenbergs, könnten sich die Brüder wieder getroffen haben. Und dann …«
»Was war dann? Das ist doch die ganze Zeit die Frage gewesen.«
»Über das Ende schreibt Friedrich: Tankred und seine Getreuen kamen aus dem Felsendom heraus, schleppten Unmengen von Gold und Silber, Edelsteine, goldene Lampen, Kleidungsstücke und schwere silberne Gerätschaften, die von sechs Kamelen oder Maultieren nicht fortgeschafft hätten werden können. Alles, was sich in der Kirche an Schätzen befand, wurde an die Pilger verteilt. Gottfried übergab Friedrich für seine Dienste einen goldenen Kandelaber, mit Edelsteinen und Rubinen reich geschmückt. Eine Zeitlang diente er noch Gottfried von Bouillon, der als Verwalter des kleinen Reiches eingesetzt worden war. Den Goldkandelaber behielt er in Ehren, doch bald bemerkte er, dass er wundertätig zu sein schien. Da beschloss er, mit dem Kleinod zurück in die Heimat zu reisen und es dem Kloster Agenbach zur Aufbewahrung zu überlassen. Von dort wollte er über das Kloster Montserrat zurück nach Palästina gehen, seine Sachen ordnen und die Gebeine seiner geliebten Gisèle zurück in Römische Reich überführen. Das waren also seine Absichtserklärungen. Wahr ist wahrscheinlich, dass ihm der Dienst bei Gottfried von Bouillon angeboten wurde, er es aber vorzog, mit dem Kandelaber heimzureisen, nachdem er beinahe gestohlen worden war. Erinnerst du dich an die letzten Worte, die Albrecht seinem Bruder, laut Zeitzeuge, zurief?«
»Ja, ich habe mir den Bericht des Zeitzeugen eingeprägt. Albrecht schrie, dass Friedrich immer alles bekommen habe in seinem Leben, der Vater habe ihn lieber gehabt, und dass er, Albrecht, Gisèle liebe. Friedrich machte seinem Bruder Vorwürfe wegen seines Verhaltens und verkündete, dass er den Kandelaber mit nach Hause nehmen wolle. Es kam zum Kampf, in dessen Verlauf Albrecht erschlagen wurde.«
»Was schließen wir nun daraus?«, fragte Markus.
»Die beiden hätten ungleicher nicht sein können«, meinte Teresa.»Sie müssen sich gegenseitig gehasst haben wie die Pest. Zudem hatte Friedrich einen Sohn, im Gegensatz zu Albrecht. Er allein würde also den Fortbestand der Familie sichern.«
»Wenn wir nach Hause kommen, müssen
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