Die Pilgerin von Montserrat
Elbursgebirges verschwunden. Auf dem Meer, das sich tintenblau zu verfärben begann, dümpelten zahlreiche Dhaus, kleine wendige Fischerboote mit ausgeprägten Vordersteven und viereckigen Settie-Segeln. Auf dem winzigen Bazar des Städtchens, wo Händler lebhaft disputierten und ihre Waren feilboten, entdeckte Teresa einen Stand mit gekochten und gebratenen Fischen. Besonders fremdartig erschien ihr eine schwarze glänzende Masse, die intensiv nach Meer roch.
»Hättet Ihr Lust, das zu essen?«, fragte Saloman, und als Markus und Teresa nickten, ließen sie sich an einem roh gezimmerten Tisch und einer ebensolchen Bank nieder. Saloman sagte etwas zu dem Händler mit den dunklen Augen und dem Turban, der um seinen Kopf geschlungen war. Gleich darauf wurden ihnen Fladenbrote mit der schwarzen Masse serviert, dazu geräucherter Fisch.
»Das ist Kaviar«, sagte Saloman und biss herzhaft in das Brot. »Wollt Ihr wissen, was es ist? Es sind die Eier des Störs, der hier zahlreich vorkommt und schon seit alters her gefischt wird. Die Khediven, ein persischer Volksstamm, aßen viel davon und waren für ihre Körperkraft berühmt. Die Störeier heißen bei ihnen Cahv-Jar, das bedeutet ›Kuchen der Freude‹ oder ›schwarzes kleines Fischei‹.«
Teresa genoss das Gefühl, frei zu sein, wieder einmal fremde Gegenden, Menschen und Genüsse kennenzulernen, gleichzeitig freute sie sich aber darüber, in Richtung Heimat unterwegs zu sein.
»Warum haben wir nicht den Landweg genommen?«, fragte Markus, an Saloman gewandt.
»Das wäre zu langwierig gewesen und zu gefährlich. Von Teheran bis Tripolis am Mittelmeer sind es mehr als 2500 Meilen. Wir hätten endlose Wüsten und hohe Gebirge überqueren müssen. Wahrscheinlich wären wir verdurstet, denn es gibt nicht viele Oasen und Wasserstellen. Schließlich wissen wir auch nicht, ob die Menschen dort uns nicht feindlich gesinnt gewesen wären.«
»Welche Reiseroute schlagt Ihr vor?«
»Wir werden morgen mit einer Dhau an der Küste entlangsegeln und in etwa sieben Tagen in Baku ankommen. Danach überqueren wir mit kleinen, belastbaren Pferden die Senke zwischen Großem und Kleinem Kaukasus, das wird etwa drei Tage dauern. Wir haben jetzt Anfang März, und die Schneeschmelze hat begonnen. Dann fahren wir mit dem Schiff weiter nach Konstantinopel. Dort werden sich unsere Wege trennen. Ich gehe mit einer Handelsgaleone zurück nach Jerusalem. Ihr könnt Euch entscheiden, ob Ihr mit dem Schiff weiterwollt, über das Mittelmeer oder – besser noch – die Donau aufwärts bis Regensburg. Von dort ist es nur ein Katzensprung bis zur Burg Wildenberg und zum Kloster Agenbach.«
Regensburg, was für ein schöner und vertrauter Name. Teresa atmete den Duft nach Ingwer und Kurkuma ein, der durch den Bazar zog, und dachte an die herzhaften Fleischgerichte und süßen Mehlspeisen, die ihre Köchin auf Burg Wildenberg zubereitet hatte. In dieser Nacht schlief sie das erste Mal seit langem tief und fest auf ihrer Strohmatratze, nach all den Tagen und Wochen im Zelt. Die Luft war lau und das Wasser des Meeres nicht allzu kalt. Es schmeckte salzig, wie sie festgestellt hatte, als sie ihren Finger hineinsteckte und an die Lippen führte.
Die Fahrt mit der Dhau verlief anfangs stürmisch, dann lag die See ruhig und intensiv blau vor ihnen. Delfine sprangen um die Wette, und immer wieder begegneten ihnen andere Fischerboote, deren Insassen herübergrüßten. Nach Westen hin türmten sich die Gebirgszüge des Kleinen Kaukasus. Wieder an Land, fiel es ihnen nicht schwer, drei kleine starke Pferde aufzutreiben, mit denen siein die Berge ritten. Saloman hatte recht gehabt: Es lag kein Schnee mehr, überall schoss das Schmelzwasser in die Tiefe. Auf den Matten breiteten sich Teppiche aus Krokussen und Narzissen aus.
Nach weiteren acht Tagen, nach einer schönen, wenn auch ereignislosen Fahrt über das Schwarze Meer sah Teresa die Kuppeln und Minarette Konstantinopels vor sich auftauchen. Sie fuhren in das Goldene Horn, den Hafen der osmanischen Stadt, in die Meerenge ein. Etwas schwankend betrat Teresa den festen Boden am Kai. Es wimmelte wie in allen Hafenstädten von Booten, Menschen, Schiffen. Von den Minaretten riefen die Muezzins . Hunderte von Geräuschen und Gerüchen kamen ihr entgegen. Die Stadt, die bis zu ihrer Eroberung 1453 christlich gewesen war, prunkte mit Votiv- und Gedenksäulen, Foren, Palästen, Moscheen und Kirchen. Das war also der Ort, von dem aus Gottfried von Bouillon,
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