Die Pilgerin von Montserrat
haben? Hugo setzte sich an die Spitze der drei und ritt in halsbrecherischer Geschwindigkeit in das Dorf hinein. Die Hufe klapperten laut auf dem festgestampften Lehm der Gassen. Teresa sah den Wagen, der bedenklich hin und her schwankte, um eine Ecke verschwinden.
»Sie nehmen den Weg nach Lehen«, rief Markus.
Die drei setzten dem Gefährt nach. Als sie um die Ecke kamen, sah Teresa den mondbeschienenen Weg, der von den letzten Häusern des Ortes fortführte und im Dunkel des Waldes verschwand. Weit und breit war nichts mehr zu sehen. Sie ritten noch ein Stück weiter, kehrten dann um. Eine Eule gab einen langgezogenen Schrei von sich.
»Sie müssen sich irgendwo versteckt haben«, sagte Hugo und schaute sich suchend um. Teresa entdeckte gleich hinter dem Ausgang des Dorfes einen Nebenweg, der vom Hauptweg abzweigte. Er führte leicht bergan zum ummauerten Friedhof von Agenbach.
»Dort könnten sie hinaufgefahren sein«, sagte Teresa und wies nach oben. Mit klopfendem Herzen folgte sie den beiden Männern. Hinter ihnen wurde Hufgetrappel laut. Es waren etwa zehn der Hakenschützen, die meldeten, dass sie die einzigen Überlebenden seien, alle anderen seien tot. Was war das für ein grässliches Spektakel! Warum musste alles so enden?
»Los jetzt, sonst entkommen sie uns noch«, knurrte Hugo.
Sie galoppierten die Steigung hinauf. Am Friedhof hielten sie kurz an, damit sie sich einen Überblick verschaffen konnten. Es war totenstill. Einer der Männer ritt in den Friedhof hinein. Jetzt würde auch noch die Totenruhe gestört werden. Doch er kehrte unverrichteter Dinge wieder zurück. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als dem Weg weiter zu folgen. Der Wald umfing sie mit einer Finsternis, die undurchdringlich war. Glücklicherweise hatten zwei der Männer Fackeln dabei, die sie jetzt entzündeten. Dadurch gewannen die beiden Verbrecher wieder an Vorsprung.
»Der Wagen kann nicht so schnell fahren«, sagte Hugo. »Nicht auf einem so schlechten Weg. Sie müssen sich hier irgendwo versteckt haben.«
Markus, dessen Pferd wie die der anderen in einen leichten Trab gefallen war, schien zu überlegen. Er zügelte das Tier und blieb stehen.
»Haltet einmal an«, sagte er. »Ich kenne hier in der Nähe eine Höhle, in der wir schon als Kinder gespielt haben. Sie liegt direkt am Weg, weiter vorn. Warum sollte der Abt die nicht auch kennen?«
»Da könnte was dran sein«, meinte Hugo. »Also, alles zurück!«
Sie wendeten und ritten den Weg zurück.
»Hier ist es«, sagte Markus. Im diffusen Licht des Mondes und der Fackeln sah Teresa eine Gruppe von moosüberwachsenen Felstrümmern, die sich aus den Tannen erhob. Unten gähnte ein schwarzes Loch, das breit und hoch genug war, um einen Wagen mitsamt Pferd aufzunehmen. Alle stiegen ab, darum bemüht, möglichst kein Geräusch zu verursachen. Hugo nahm zwei seiner Männer und sie näherten sich vorsichtig dem Eingang der Höhle.
»Wenn ihr da drin seid, Abt Alexius Furer und Werner von Wildenberg, dann ergebt euch und kommt mit erhobenen Händen heraus!«, rief Hugo.
Nichts geschah. Das schwarze Loch gähnte ihnen weiterhin entgegen. Ein eisiger Luftzug wehte von dort herüber und ließ Teresafrösteln. Hugo nahm eine Fackel und verschwand mit seinen Leuten im Inneren des Loches. Weiterhin blieb alles still. Eine Ewigkeit verging. Dann kamen sie wieder heraus. Hugo trug die Fackel, hinter ihm gingen die beiden Schützen, einen leblosen Körper auf den Armen. Sie legten ihn in der Mitte der Anwesenden nieder. Hugo leuchtete ihm mit der Fackel ins Gesicht.
»Es ist der Abt«, sagte er mit Grabesstimme. »Er hat es vorgezogen, sich einen Dolch in die Brust zu stoßen, bevor er uns in die Hände fiel, wie es ihm von den Assassinen befohlen wurde.«
»Und der andere?«, rief Teresa entsetzt. »Wo ist Werner von Wildenberg?«
»Euer Onkel muss sich durch einen Nebengang der Höhle ins Freie geflohen sein und im Wald versteckt haben«, gab Hugo zur Antwort. »Der Abt wollte seine Trophäe, um deren Besitz er so lange gekämpft hatte, nicht im Stich lassen. Werner dagegen, der feine Herr, hatte nichts anderes zu tun, als seine nackte Haut zu retten.«
»Er wird weiterhin versuchen, den Kandelaber in seine Gewalt zu bekommen«, gab Markus zu bedenken.
Der totgeglaubte Abt begann sich zu regen und stammelte unverständliche Worte. Teresa und Markus beugten sich zu ihm herab. Sie vernahm Bruchstücke eines Satzes:
»Verflucht … sich … unseren Heiligtümern …«,
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