Die Pilgerin von Montserrat
Matthias, wo die Hakenschützen? Wahrscheinlich warteten sie auf ein Zeichen von ihnen. Sie trank den Becher aus, dessen Flüssigkeit herb und gleichzeitig süß schmeckte. Eine Zeitlang stand sie da und blickte vor sich hin auf den Boden. Die Umrisse des Kirchenschiffes begannen zu verschwimmen, die Wände rissen auf, und sie flog, eine lange Zeit, so schien es, über Berge und Flüsse, Städte und Dörfer, über Meere und Minarette, bis sie im Garten Eden landete, der ihr sehr vertraut war. Der Brunnen plätscherte, die Bäume und Blumen waren da, die Vögel sangen. An die Umfassung des Brunnens gelehnt sah sie Markus. Er öffnete die Arme, und sie flog auf ihn zu.Er bedeckte ihren Mund mit Küssen, sie sanken nieder, seine Hände glitten über ihren Körper, streiften ihr Kleid ab, suchten ihren Schoß. Er legte sich über sie, drang in sie ein. Ein nie gekanntes, heißes, unsagbar süßes Gefühl durchströmte sie von den Zehenspitzen bis zur letzten Haarwurzel.
»Na, hast du die Freuden des Paradieses gesehen?«, drang eine hässliche Stimme an ihr Ohr.
Teresa fuchtelte mit den Händen, versuchte ihren Peiniger abzuwehren. Der Garten verwandelte sich. Das Wasser des Brunnens färbte sich rot, die Bäume begannen zu brennen, Schlangen, Ratten, Würmer und anderes Getier flüchteten vor der Feuersbrunst, die sich rasend schnell ausbreitete. Es wurde immer heißer, das glutheiße Inferno kam näher und näher. Im letzten Augenblick wurde Teresa von einer unsichtbaren Hand in die Höhe getragen. Wieder flog Teresa, landete vor einer Mauer. Sie war aus rötlichem Gestein erbaut. Sie suchte mit der Hand, ihre Finger glitten über die kalten Steine. Da war ein Widerstand.
»Was siehst du?«, knarrte die Stimme in ihr Ohr.
»Eine Mauer aus rotem Gestein«, antwortete sie und konnte nicht glauben, dass diese Stimme ihr gehörte. Jetzt erkannte sie die Stelle. Es war die Mauernische neben der Klosterpforte, an der sie damals mit Froben stand und wo er ihr erklärte, dass es ein zugemauerter weiterer Eingang sei. Am Mittag des gleichen Tages hatte sie Matthias kennengelernt. Sie sah den blonden Jungen so deutlich vor sich, dass sie ihn hätte greifen können. Er zwinkerte ihr zu. Sie drückte auf einen Knopf, der an den Steinen befestigt war.
»Was siehst du?«, fragte die höllische Stimme.
»Ich sehe einen Knopf an der Wand, ich drücke ihn.«
»Was passiert jetzt?«
»Die Mauer gleitet zur Seite, sie muss einen geheimen Mechanismus haben.«
»Was ist hinter der Wand?«
»Eine Treppe.«
»Geh sie hinunter. Was siehst du?«
»Eine Grabkammer. Es ist dunkel und kalt. Doch etwas leuchtet in ihr. Ich trete näher. Es ist die Menora, sie ist aus purem Gold und glänzt so stark, dass es mich blendet.«
»Wo ist diese Wand, wo ist dieser Knopf?«
Es lag jetzt alles bei ihr. Sie war auf das letzte Geheimnis gestoßen und musste es bewahren.
»Es ist … es ist im Keller des Fruchtkastens«, sagte sie mit schwacher Stimme. Ihr war schwindelig, die Kerzen vor dem Altar, die glühende Pfanne, die Männer, die Grabkammer, die Menora, alles verschwamm vor ihren Augen. Es wurde dunkel. Sie fiel – ihr Hinterkopf schlug auf den harten Lehmboden der Kirche.
38.
Allmählich kam Teresa zu sich. Es war schmerzhaft, die Augen zu öffnen. Ihr Kopf dröhnte, als hätte jemand sie als Trommel benutzt. Teresa richtete sich halb auf. Der Abt und ihr Onkel waren verschwunden. Gewiss hatten sie sich auf den Weg zum Fruchtkasten gemacht. Ihr blieb nicht viel Zeit, vielleicht die Hälfte einer Stunde.
Teresa schaute sich um. Die anwesenden Männer waren damit beschäftigt, auf den Knien vor dem Kreuz zu liegen und zu beten, andere hoben und senkten den Oberkörper in Richtung Osten. Sie kniff die Augen zusammen. Einen Augenblick lang sah es so aus, als beteten die Templer einen Baphomet an statt des Kreuzes, dann wieder verwandelte es sich in die Form der Menora.
Es ist alles eins! ging es ihr durch den Kopf, es gibt keine Unterschiede. Doch jetzt war keine Zeit, darüber nachzudenken. Sie entdeckte Markus wie schlafend im Chorgestühl hängen, stand mühsam auf und schritt vorsichtig, einen Fuß nach dem anderen setzend, zu ihm hinüber. Keiner der Männer beachtete sie. Teresa rüttelte Markus an der Schulter. Er stöhnte, schlug aber die Augen nicht auf. Sie näherte sich seinem Gesicht und drückte einen Kuss auf seinen Mund. Wohlig streckte er sich und blickte sie glücklich an.
»Wir müssen sofort von hier weg«,
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