Die Pilgerin von Montserrat
Teresa ein. An welcher Stelle wollte er noch auf sie warten?
»Ich hole jetzt Hugo, Matthias und ein paar von den Hakenschützen«, sagte Markus. Er stieg die Treppe hinauf. Die Zeit in der düsteren Kammer wurde Teresa lang. Sie stand an die Wand gelehnt und umklammerte die Kerze. Wachs tropfte auf ihre Hand, und sie zuckte zusammen. Was hatte dieser Kandelaber den Brüdern nun gebracht außer Hass und einen Kampf bis auf den Tod? Wäre es nicht besser gewesen, Friedrich hätte sich eine Frau genommen und mit ihr eine Familie gegründet? Wäre es nicht besser für Albrecht gewesen, wenn er im Heiligen Land geblieben und dem König gedient hätte? So war alles sinnlos gewesen. Es roch nach Erde und Verwesung. Sie, Teresa, würde sich von allem lossagen und das tun und leben, wozu sie bestimmt war.
Markus kehrte mit Hugo, dem Anführer, und vier der Hakenschützen sowie Matthias zurück.
»Was habe ich gesagt?«, stellte er fest. »Sie waren ganz in der Nähe und haben nur auf ein Zeichen von uns gewartet.«
Die vier Männer gruben den schweren Kandelaber aus und wuchteten ihn die Treppe hinauf. Er war über und über mit Erde bedeckt, aber die Blumen und Ornamente ließen sich unter der Kruste von Schmutz erahnen. Auf ihren Schultern trugen die Männer die Menora aus der Maueröffnung hinaus. Teresa, Markus und Matthias folgten ihnen.
»Womit sollen wir sie wegschaffen und wohin?«, fragte Teresa den Anführer.
»Einer meiner Männer hat im Dorf einen Pferdewagen besorgt«, sagte er. »Für alle Fälle, man weiß ja nie, was kommt.«
»Da hat er recht getan«, antwortete Teresa, stockte jedoch, denn von der Kirche her kam jetzt lautes Rufen und Fluchen. Wer fluchtedenn in einem Kloster? Plötzlich fiel Teresa ein, dass der Abt und der Onkel inzwischen die Irreführung bemerkt haben mussten. Die verdächtigen Geräusche an der Mauer konnten ihnen nicht verborgen geblieben sein. In aller Eile wurde der Kandelaber auf dem Pferdekarren verstaut. Die Rufe kamen näher, und schon sah Teresa, als sie zurückblickte, den Abt und ihren Onkel heranstürmen, gefolgt von mindestens zwanzig ihrer Männer, die inzwischen wieder hellwach zu sein schienen. Sie waren mit schwarzer Kampfkleidung, Armbrüsten und Krummschwertern bewaffnet. Eilig wurde der Karren durch das Tor in der Mauer gezogen.
Als alle auf der anderen Seite waren, schlug Hugo das Tor zu. Die Hakenschützen hatten ihre Gewehre im Anschlag, doch noch zeigte sich niemand auf der Mauer. Teresa wusste, dass sie die Menora retten musste. Sie wollte zu dem Wagen mit dem Kandelaber laufen, konnte ihn aber im allgemeinen Getümmel nicht mehr entdecken. Schreie ertönten, und sie riss ihren Kopf im Laufen herum. Die Ordensbrüder waren auf die Mauer geklettert. Als Silhouetten gegen die Scheibe des Mondes standen sie dort oben. Sie begannen die Soldaten mit den Armbrüsten zu beschießen. Ein Knall ertönte, dann noch einer und noch einer. Die Schützen hatten ihre Arkebusen abgeschossen und drei der Männer auf der Mauer getroffen. Mit grässlichen Schreien fielen sie herunter und schlugen dumpf auf der Erde auf. Zwei der Hakenschützen waren von Pfeilen getroffen worden. Die Ordensbrüder sprangen von der Mauer herab, mischten sich unter die Schützen, die jetzt nicht mehr feuern konnten. Es stand Mann gegen Mann, Schwerter klangen metallisch gegen Schwerter. Manch ein Hakenschütze holte seine Reiterpistole hervor und schoss aus nächster Nähe.
Teresa bahnte sich einen Weg zu Markus, der sich das Krummschwert eines gefallenen Assassinen genommen hatte und damit kämpfte. Sie deutete in die Richtung, in der sie den Wagen gesehen hatte.
»Markus«, rief sie, »der Wagen mit der Menora fährt weg!«
Er fuhr herum. Auf dem Kutschbock des Karrens saßen zweiverhüllte Gestalten, der eine hielt die Zügel in der Hand und gab dem Pferd die Peitsche.
»Der Abt und dein Onkel«, schrie er. »Wir müssen ihnen nach!«
Hugo, der Anführer, kämpfte ganz in ihrer Nähe mit einem Ordensbruder. Sein Widersacher war einen Augenblick lang abgelenkt durch die Flucht des Abtes und seines Kumpanen. Hugo nutze die Gelegenheit und durchbohrte ihn mit seinem Schwert.
»Zu den Pferden«, rief er Teresa zu. »Ich komme mit Euch. Den Rest sollen meine Männer erledigen.«
Sie liefen zu den Pferden, schwangen sich hinauf und gaben ihnen die Sporen. In schnellem Galopp ritten sie dem Wagen hinterher, doch er war nicht mehr zu sehen. Welchen Weg konnten die Flüchtenden genommen
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