Die Pilgerin von Montserrat
zischelte sie ihm zu. »Ich habe die beiden Anführer in den Fruchtkasten geschickt.« Sie senkte die Stimme noch mehr. »Ich weiß jetzt, wo die Menora ist.«
»Ich dachte, wir wollten sie vergessen?«
»Wir müssen sie vor dem Zugriff dieses Ordens retten«, gab sie schnell zur Antwort und zog ihn aus dem Gestühl. Etwas verdattert folgte er ihr. Teresa nahm eine brennende Kerze von einem der Seitenaltäre an sich, die würden sie brauchen. Sie verließen die Kirche, ohne dass jemand sie aufhielt. Von fern war leiser Gesang vonMönchen zu hören. Bald würde die Matutin beginnen, bis dahin würden die Ordensmitglieder aus der Kirche verschwunden sein. So schnell sie konnten, rannten sie in den Klostergarten. Teresas Kopf schmerzte bei jedem Tritt. Der Mond beschien die Steinbank, die Beete und die Mauer, die in einem rötlichen Glanz erstrahlte.
»Hier ist es«, sagte Teresa. Sie waren an dem zugemauerten Torbogen angekommen. Teresa tastete über die kalten Steine.
»Was um Himmels willen machst du da?«, fragte Markus.
»Ich habe während des Rausches, in den man mich versetzte, eine Eingebung gehabt«, antwortete sie. »Der Abt und Onkel Werner fragten mich aus, und so habe ich sie auf eine falsche Spur gebracht.«
»Ich habe von ganz anderen Dingen geträumt«, sagte Markus. »Von dir.«
»Ich auch, aber darüber können wir später reden.« Teresa fuhr mit den Fingern über die Mauer. »In meinem Traum, nein, in meinem Rausch habe ich einen Mechanismus gesehen, einen Knopf, auf den ich gedrückt habe. Daraufhin glitt die steinerne Tür zur Seite.«
»So etwas gab es noch nicht, als diese Mauer erbaut wurde«, raunte Markus ihr zu. »Wir müssen sie aufbrechen.«
»Sie können jeden Augenblick kommen …«
»Nein, sie sind damit beschäftigt, diesen Mechanismus zu finden.« Markus kicherte. »Dein Traumkind hat dir schon die richtigen Anweisungen gegeben.«
Teresa begann zu zittern. »Was, in aller Welt, sollen wir jetzt machen?«
»Wir brauchen etwas, um ein Loch in die Mauer zu schlagen, groß genug zum Durchschlüpfen«, sagte Markus. Er schwieg für einen Moment. »Da hinten ist ein Schuppen«, sagte er dann. »Ich werde schauen, ob ich geeignetes Werkzeug finde.«
Sie folgte ihm zum Schuppen. Glücklicherweise war die Tür nicht verschlossen. Im Licht der Kerze fanden sie bald, was sie suchten, und kehrten in fieberhafter Eile zur Mauer zurück. Markussetzte die Spitzhacke an und begann damit zu arbeiten. Hoffentlich verriet das Klopfen sie nicht. Alles blieb still. Sobald ein Loch in die Mauer gehauen war, nahm Markus die Brechstange und löste einen Ziegel heraus, der polternd zu Boden fiel. Teresa zuckte zusammen.
»Schneller!«, drängte sie. Nach einer Zeit, die ihr endlos schien, war das Loch groß genug, dass sie hindurchkriechen konnten.
»Es könnte ein alter Fluchtgang gewesen sein«, flüsterte Markus ihr zu. Eine Treppe gähnte unter ihnen. Teresa ging mit der Kerze voran. Nach etwa zwanzig Stufen ereichte sie eine kleine Kammer, Markus folgte ihr lautlos. Zunächst konnte Teresa nichts erkennen. Sie kniete nieder und grub mit der Hand in der feuchten Erde. Nichts. Hatte sie ihre Einbildung genarrt? Markus war ebenfalls in die Hocke gegangen und grub mit den Händen. Er schrie leise auf. Teresa hielt die Kerze näher zu ihm hin. Er hielt einen grauweißen menschlichen Knochen in der Hand, wahrscheinlich einen Unterarm.
»Sieh mal, da ist ein Schädel!«, sagte er aufgeregt und deutete auf eine andere, weiter entfernte Stelle des Bodens. »Und da drüben noch einer.«
»Und dazwischen«, Teresa konnte es kaum fassen, »glänzt etwas wie Gold!«
Fieberhaft begannen sie die Erde mit den Händen umzugraben. Es waren tatsächlich zwei menschliche Gerippe, die zutage kamen. Ihre Köpfe und Arme waren zu dem goldenen Gegenstand in der Mitte gewandt, so, als würden sie noch im Tod versuchen, ihn einander zu entreißen.
»Das sind die Überreste von Friedrich und Albrecht!«, rief Teresa.
»Albrecht ist ihm vom Heiligen Land aus gefolgt, und hier haben sie sich gegenseitig getötet, weil jeder die Menora haben wollte!«, erklärte Markus.
»Aber wie sind sie hereingekommen?«, fragte Teresa.
»Die beiden Brüder könnten von außen in den bereits vermauertenGang gelangt sein, und nach ihrem Eindringen stürzte er ein. Wir müssen die Menora wegschaffen, so schnell wie möglich«, sagte Markus. »Ich hole die Hakenschützen zu Hilfe, allein schaffen wir das nicht.«
Matthias fiel
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