Die Pilgerin von Montserrat
scheint Angst vorm anderen zu haben.«
»Könnte es sein, dass sich von außen fremde Mönche eingeschlichen haben und sich als Benediktiner ausgeben?«
»Möglich wäre es schon, bloß – wer sollte sie hereingelassen haben und was hat das für einen Sinn?«
Froben und seine Tochter tauschten einen Blick.
»Sie könnten hinter dem Goldkandelaber her sein, einem Familienerbstück, das auch wir finden wollen«, sagte Froben.
»Ach, ein Familienerbstück? Das ist ja eigentümlich. An einem Abend im Parlatorium, lange bevor ihr kamt, wurde über einen solchen Kandelaber gesprochen. Eine Reliquie aus dem Heiligen Land, die wundertätig sein soll. Sie wurde von einem Pilger nach Spanien gebracht, soweit ich mich erinnere.«
»Dort werden wir sie demnächst auch suchen«, antwortete Froben. »Ihr müsst wissen, dass wir an einer Chronik arbeiten, die ich noch zu meinen Lebzeiten fertigstellen will.«
»Ihr müsst mir verzeihen, ich kann Euch jetzt nicht länger Rede und Antwort stehen, aber ich werde Augen und Ohren offen halten und alles berichten, was mir auffällt«, sagte der Koch und wandte sich seiner Arbeit zu.
Teresa und Froben besuchten den Bäcker und seine Hilfsgesellen, die Landwirtschaft und die Speisegroßmeisterei, sie kamen aber mit ihren Fragen nicht weiter.
»Wir müssen mit den Dorfbewohnern reden und mit den Bauern der Umgebung«, sagte Froben.
Nach dem Mittagessen gingen sie durch das Dorf und befragten die Anwohner.
»Geht zum Schellenbauer!«, erhielten sie wiederholt zur Antwort. »Seine Frau hat seltsame Gesichte gehabt, heißt es. Die können Euch sicher weiterhelfen.«
Da es ein ruhiger, sonniger Oktobernachmittag war, beschlossen die beiden, zum Schenkenhof zu reiten. In den Gärten hingen reife Zwetschgen an den Bäumen, die Wälder ringsum hatten sichvom Gelb, aus dem dunkle Tannen hervorstachen, ins Rötliche verfärbt. Die Wiesen standen noch in saftigem Grün, und die braunroten Kühe blickten ihnen dumpf kauend entgegen. Der Schenkenhof war ein großer Bauernhof mit einem Schleppdach aus Stroh, das an den Seiten weit heruntergezogen war. Ein Holzbalkon zog sich über die Vorderseite, geschmückt mit Geranien. Zwei Kinder luden eine Kiepe mit Holz ab. Die Bäuerin arbeitete im Garten.
»Grüß Euch Gott«, rief Froben ihr zu.
Die Frau drehte sich um und erwiderte den Gruß. Sie war eine kräftige Frau mit einem kantigen Gesicht, bekleidet mit Rock, Mieder und Schürze. Ihr schon leicht ergrautes Haar trug sie unter einer Lederkappe. Sie schickte die Kinder ins Haus.
»Was ist Euer Begehr?«, fragte sie.
»Wir suchen zwei Reiter, die in den letzten Tagen hier vorbeigekommen sein müssen«, setzte Froben an.
Die Bäuerin nahm die Kappe ab und kratzte sich am Kopf.
»Kann sein, kann aber auch nicht sein, dass welche vorbeigekommen sind«, meinte sie achselzuckend.
»Gute Frau, ich beschwöre Euch«, fiel Teresa ein. »Es sind gefährliche Menschen. Wahrscheinlich haben sie unseren Abt auf dem Gewissen.«
Die Frau versteifte sich. »Was … ist er tot?«
»Ja, das ist er«, fuhr Froben fort. »Bei allem, was Euch heilig ist, sagt uns, ob Ihr etwas gesehen habt.«
»Vor ein paar Tagen«, begann die Bäuerin zögernd, »kam am frühen Morgen der Abt mit seiner Eskorte vorbei. Prächtig war er anzuschauen mit seinem dunkelvioletten Mantel, der Mütze und dem Krummstab. Wir, mein Mann und ich und die Kinder, huldigten ihm. Wenig später preschten zwei Reiter heran, die den Geistlichen und ihren Bewachern folgten. Wir maßen dem aber keine weitere Bedeutung bei.«
»Habt herzlichen Dank, gute Frau«, sagte Froben. »Gott sei mit Euch auf allen Euren Wegen.«
Er wandte sich zum Gehen, Teresa folgte ihm.
»Ist das alles, was wir in Erfahrung bringen können?«, fragte sie.
»Es ist ein Anhaltspunkt. Wir wissen jetzt zumindest, dass die Reiter noch in der Gegend sind, vielleicht sogar im Kloster selbst, und dort ihr Unwesen treiben.«
10.
Markus erwartete sie nach dem Abendessen in der Sakristei.
»Habt ihr etwas herausgefunden?«, fragte er. Die beiden setzten sich auf die bereitstehenden Stühle.
»Wir wissen zumindest, dass der Abt von zwei Reitern verfolgt wurde«, antwortete Froben. »Fahren wir fort mit unserer Lektüre! Ich brenne darauf, Näheres über die Geschichte im Heiligen Land zu erfahren.«
»Ich auch«, sagte Teresa.
Markus zog die Öllampe näher zu sich heran und begann zu lesen.
»Wir wurden mit schnellen Booten nach Kleinasien verschifft, wo es
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