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Die Pilgerin von Montserrat

Die Pilgerin von Montserrat

Titel: Die Pilgerin von Montserrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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konnte, ernährte sich von Blättern oder kochte Leder, um es genießbar zu machen. Am 10. Juni meldete sich ein einfacher Mann namens Peter Bartholomeus bei Graf Raimund von Toulouse und berichtete von einer Vision. Der heilige Andreas habe ihm offenbart, wo der Speer zu finden sei, mit dem ein römischer Legionär Christus nach der Kreuzigung in die Seite gestochen hätte. Nach anfänglichem Unglauben wurde die Heilige Lanze unter dem Fußboden der Kathedrale gefunden. Das hob die Moral der Männer so sehr, dass sie in einer Entscheidungsschlacht das Heer Kerbogas besiegten. «
    »Das bringt uns der Wahrheit aber kein Stück näher«, sagte Froben, als Markus einen Augenblick im Lesen innehielt. »Diese Angaben hätten wir uns aus jedem Bericht über den Kreuzzug holen können.«
    »Wartet ab«, erwiderte der Gehilfe des Bibliothekars. »Entscheidend ist das, was folgt, bis hin zur Schlacht um Jerusalem.
    Fünfzehn Monate waren über der Belagerung und Eroberung von Anthiochia vergangen. Gottfried von Bouillon machte sich Ende Februar 1099 auf den Marsch. Nach Belagerungen von Städten, die sich in die Länge zogen, erreichte das Heer endlich, am 7. Juni des Jahres 1099, einen Berg nördlich von Jerusalem. Drei Jahre nach der Rede Papst Urbans hatten wir unser Ziel endlich erreicht. Wir besaßen nichts mehr außer den Kleidern auf unserem Leib, die zu Lumpen zerfielen, und waren nur noch ein Schatten unserer selbst. Doch der einzigartige Anblick, den die Stadt zu unseren Füßen bot, beflügelte uns, machte uns so ergriffen, dass der alte Mut zurückkehrte. Im Sonnenlicht unter uns blinkte der Felsendom, und am Südrand des Tempelplatzes sahen wir die Moschee al-Aksa. Nur die Grabeskirche bot nicht mehr den Anblick, den wir erwartet hatten: Sie war stellenweise zerstört. Ich hielt die Hand Gisèles und flüsterte ihr ins Ohr: ›Bis hierher haben wir es geschafft, du und ich, und wir werden bis zum Ende durchhalten. Dann fahren wir zurück, beziehen die Burg Wildenberg und leben fortan in Frieden und Wohlstand.‹
    Sie erwiderte den Händedruck.
    ›Wenn es doch erst so weit wäre‹, sagte sie mit Tränen in den Augen, die erschreckend groß in ihrem mageren Gesicht standen. In diesem Augenblick drehte sich Albrecht um, der vor uns stand. Nie werde ich den Ausdruck von Hass vergessen, der aus seinem Gesicht flammte! Was habe ich ihm nur getan? dachte ich nicht das erste Mal während dieser langen, entbehrungsvollen Reise.
    Unser Heer war zu klein, um eine vollständige Einschließung der Stadt zu erreichen. Wir lagerten uns mit Gottfried von Bouillon zunächst gegenüber dem Davidsturm. Unsere Angriffe mit Steinschleudern waren aussichtslos, da die Mauern mit Säcken behangen waren, mit Baumwolle und Heu gefüllt. Der Statthalter Iftikhar und seine Männer warteten auf Entsatz durch ein ägyptisches Heer, das täglich, ja stündlich eintreffen konnte, soviel hatten unsere Spähererfahren. In unserem Lager mussten 12 000 Männer und Frauen mit Nahrung und Wasser versorgt werden. Bei den wenigen Quellen der Umgebung legten sich die Feinde in den Hinterhalt, oder sie vergifteten die Brunnen. Wir waren durch den Hunger und die Hitze so geschwächt, dass wir die Mauern nie würden stürmen können. Ein Eremit auf einem nahen Berg empfahl, am nächsten Tag den Angriff zu wagen. Der Beginn der Stürmung wurde für den Sonnenaufgang des 13. Juni 1099 festgelegt. Es gelang uns, genug Holz für eine Sturmleiter aufzutreiben, in Windeseile, beflügelt durch die Worte des Eremiten, wurde sie gebaut. Die Herolde stießen in die Trompeten und Signalhörner. Die Soldaten hielten ihre Schilde über die Köpfe und bewegten sich wie eine Schildkröte auf die Vormauer zu. Die Schilde boten jedoch gegen die schweren Schleudersteine der feindlichen Katapulte wenig Schutz. Wir hatten nur eiserne Hämmer und Hacken zur Verfügung, um die Vormauer einzureißen. Der Schweiß lief mir in Strömen den Körper hinab, dazu behinderte die schwere Rüstung mich erheblich. Etliche, die nur Kettenhemden und Helme trugen oder gänzlich ungeschützt waren, fielen Pfeilschüssen zum Opfer. Doch endlich war eine Bresche geschlagen. Es gelang uns, unter dem Pfeilregen der Gegner, die Sturmleiter an der Mauer aufzurichten.
    Der Ritter Raimbold von Chartres sollte der Erste sein, der die Mauer erstieg. Oben angekommen, wurde ihm die Hand abgehackt. Die Hitze brüllte in meinen Ohren, kaum sah ich noch etwas, so sehr lief mir die salzige Brühe in die

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