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Die Pilgerin von Montserrat

Die Pilgerin von Montserrat

Titel: Die Pilgerin von Montserrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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alle Sorgen wie weggeblasen. Eine milde Oktobersonne glänzte vom Himmel, und nach dem Frühstück verabschiedeten sich Teresa und Froben von Werner. Die Faulhänsin schien noch zu schlafen.
    »Gebt auf euch acht«, mahnte sie der Onkel. »In den Bergen und Wäldern lauern überall Räuber, die es auf euer Geld abgesehen haben. Und auf Frauen.« Er zwinkerte Teresa zu. Sie konnte ihm nicht böse sein, schließlich hatte er sie beide immer gut behandelt.
    Froben klopfte auf seinen Lederbeutel, dass die Goldstücke darin klimperten.
    »Ich werde unsere Ehre und unseren Besitz verteidigen bis zum Letzten«, meinte er und umarmte seinen Bruder zum Abschied. Teresa gab Werner einen Kuss auf die Wange, was er sehr zu genießen schien.
    Markus wartete schon vor der Pilgerraststätte.
    »War Euch unser Schloss nicht gut genug?«, neckte Teresa ihn.
    »O mein Gott, habt Ihr das so aufgefasst? Nein, ich bin ein ungehobelter Bauernbursche und weiß mich in einem solchen Rahmen nicht zu bewegen.«
    »Das hättest du schnell gelernt«, sagte Froben. »Ich darf doch ›du‹ sagen?«
    »Wenn ich es auch sagen darf.«
    »Ich finde ebenfalls, dass wir als Reisegefährten diese Förmlichkeiten ablegen sollten«, befand Teresa. »Man nennt mich Teresa und dich?«
    »Markus – Markus Schenk aus dem Schwarzwald.«
    »Dann lasst uns jetzt endlich aufbrechen«, rief Froben und bestieg sein Pferd. »Ich brenne darauf, zum Bodensee zu kommen. Habe die Gegend seit meiner Kindheit nicht mehr gesehen.«
    »Und ich überhaupt noch nicht«, sagten Teresa und Markus wie aus einem Munde.
    Der Glanz über dem Bodesee war stärker als am Tag zuvor. Die oberschwäbische Landschaft erwies sich als hügelig, aber sehr weit, mit Feldern, Äckern, unterbrochen von kleinen Wäldern, Weilern und Flüssen, die dem See zueilten. Die Stadt Pfullendorf ließen sie links liegen. Je mehr sie in die Nähe des Sees kamen, desto mehr veränderte sich die Landschaft. Der Boden sah schwärzer und speckiger aus, die Wiesen grüner, und an den Bäumen hingen noch glänzende Birnen und Äpfel.
    Am späten Nachmittag erreichten sie das Städtchen Überlingen am Untersee. Dahinter konnte Teresa die mächtigen, schneebedeckten Berge des Thurgaus sehen. Die Hufe ihrer Pferde klapperten die steilen, engen Gassen hinab. Sie mieteten zwei Zimmer für die Nacht in der »Krone«, einem Herbergsbetrieb nahe dem Münster. Nach dem Abendessen schlenderten sie Richtung Hafen, in dem Fischerboote lagen, die nachts ausfahren würden, sowie bauchige Segelschiffe, »Lädinen« oder »Segmer« genannt, wie Froben den beiden erklärte. Enten, Haubentaucher und Schwäne schwammen in dem brackigen Wasser.
    Froben wurde bald mit einem der Seeleute einig, sie am nächsten Tag über den See nach Konstanz zu bringen, einer Station des Pilgerweges nach Santiago. Die Nacht fiel schnell herab, und es wurde kühl. Teresa fröstelte. Der Junge von gestern Abend fiel ihr ein. Wollte er ihr ein Zeichen geben, waren sie in Gefahr? Nein, sagte sie sich, du siehst überall Gespenster. In so einer friedlichen kleinen Stadt kann uns nichts passieren.
    Ein paar jugendliche Zecher zogen lärmend vorüber. Wie ein Echo auf ihre Gedanken näherte sich der Klang von Pferdehufen. Teresa drehte sich um – und erstarrte. Ihre Begleiter waren ebenfalls stehen geblieben. Zwei Reiter in wehenden dunklen Kapuzenmänteln galoppierten direkt auf sie zu. Teresa konnte ihre Gesichter nicht erkennen, aber sie sah, dass sie Krummsäbel in den Händen hielten.
    Als er auf ihrer Höhe war, schwang der eine Reiter den Säbel und trennte mit einem einzigen Schnitt ihre Haarschnecke vom Kopf.Sie ging zu Boden, ihr Herz hämmerte in Todesangst. Wie eine Trophäe hielt der Reiter das Haar in der linken Hand. Das Hufgetrappel wurde leiser, und bald waren die beiden Reiter um eine Ecke herum verschwunden.
    »Verflucht!«, schimpfte Froben. »Wenn ich mein Ross bei mir hätte, wäre ich denen gefolgt und hätte sie gestellt!«
    Markus half Teresa auf die Beine. Noch etwas zittrig stand sie da und blickte in die Richtung, in der die Gestalten verschwunden waren.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte sie.
    »Ich denke, da wollte uns jemand einen gehörigen Schrecken einjagen«, antwortete Markus. »Wenn sie dich hätten töten wollen, wäre ihnen das ohne weiteres gelungen.«
    »Ich glaube, wir müssen unsere Reisepläne ändern«, sagte Froben mit einem besorgten Blick auf Teresa. »Bist du verletzt?« Er untersuchte ihren Kopf.

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