Die Pilgerin von Montserrat
»Nein, sie haben ihre Sache sehr sauber gemacht. Und ich dachte, wir hätten unsere Verfolger schon in Agenbach abgeschüttelt.«
»Irgendwie müssen sie Wind von unseren Plänen bekommen haben«, meinte Teresa. »Ich würde sie aber deswegen nicht ändern. Diese Reiter scheinen uns überall aufzuspüren, wo wir sind. Vielleicht riechen sie uns.«
»Teresa, das sind keine Geister, sondern Menschen aus Fleisch und Blut. Und als solche können wir sie unschädlich machen, wenn wir klug zu Werke gehen.«
»Wie willst du das bewerkstelligen?«, fragte Markus.
»Wir sollten immer zusammenbleiben und nie unbewaffnet sein, auch nachts nicht.«
Teresa dachte an ihren Dolch, den sie stets am Gürtel trug. Um ihr langes Haar war es ihr zwar schade, aber das würde sie verschmerzen, es wuchs ja wieder. Sie gelangten zu ihrem Gasthof, und Teresa war froh, dass ihr Zimmer neben dem der beiden Männer lag. Die Ereignisse gingen ihr noch lange durch den Kopf, und bei jedem Geräusch, das zu ihr hereindrang, zuckte sie zusammen.Wie hatten die Reiter davon erfahren, in welche Richtung sie reiten würden? Wem, außer ihr, Froben und Markus, war ihr Reiseweg bekannt? Ein schrecklicher Verdacht überkam sie. Markus war einen Tag länger als sie im Kloster geblieben. Mit wem konnte er über ihre Pläne gesprochen haben? Oder hatte er es selber auf den Kandelaber abgesehen? Dieser Gedanke war so ungeheuerlich, dass sie ihn rasch von sich schob.
2. Buch: Die Reise
13.
Teresa schreckte von ihrem Lager auf. Hatte ein Hahn gekräht? Sie fuhr sich mit der Hand an den Kopf. Wie eine Bürste stand ihr Haar in die Höhe. Die Ereignisse des gestrigen Abends fielen ihr ein. Warum hatte der Reiter ihr das angetan? Sollte das eine Warnung sein, den Kandelaber nicht länger zu suchen? Und wer hatte ihnen verraten, wo sie sich befanden? So, wie sie aussehen musste, konnte sie sich auf keinen Fall sehen lassen. Ihre Blicke irrten im Zimmer umher. An einer Wand stand die in Wirthäusern übliche Truhe, an der anderen ein Tisch und ein Stuhl, in einer Ecke hing ein Kruzifix.
Da war noch eine Konsole mit einer Waschschüssel und einem Krug. Teresa stand auf, zog sich an, goss Wasser in die Schüssel, wusch sich Gesicht und Hände. Sie betrachtete ihr Spiegelbild im Wasser und zog ihren Dolch aus dem Gürtel. Strähne für Strähne schnitt sie das Haar schulterlang ab. Das blonde Büschel, das der Reiter übriggelassen hatte, zupfte sie so zurecht, dass es ihr bis zu den Augenbrauen fiel. Jetzt sah sie aus wie der Junge in Peterszell. Sie hüllte sich in ihren Mantel und stieg die Treppe hinunter. Über den Hof, auf dem Mägde mit dem Ausladen von Brot aus Ochsenkarren beschäftigt waren, ging sie zum Schankraum. Froben und Markus saßen schon an einem Tisch und warteten auf sie. Sobald Teresa Platz genommen hatte, brachte die Wirtin eine Schüssel mit Gerstenbrei, einen Laib Brot und eine Kanne heißes Bier.
»Gut siehst du aus«, bemerkte Markus zu Teresa.
Nein, er konnte sie nicht verraten haben. Seine Augen sahen so ehrlich aus wie immer.
»Ich hätte mir etwas Besseres vorstellen können als so eine Frisur«, gab Teresa zurück. »Ich sehe ja fast aus wie ein Mann!«
»Das könnte dir auf der Reise zugute kommen«, meinte Froben.
»Ich habe übrigens gestern so einen Jungen gesehen, mit genau dieser Frisur«, gab Teresa zurück. »Er sah aus wie Matthias aus Agenbach.«
»Es gibt viele Jungen mit diesem Haarschnitt.« Ihr Vater winkte ab. »Lass dich nicht immer beirren.«
»Ich lasse mich nicht beirren, ich habe ihn wirklich gesehen! Und schon wieder ist etwas Schlimmes passiert.«
»Es kann doch sein, dass Teresa eine Art seherische Gabe hat«, wandte Markus ein. »Ich habe schon solche Menschen kennengelernt.«
»Also gut, wenn ihr meint …«, brummte Froben. »Wir sollten uns aber darüber klar werden, welchen Reiseweg wir weiterhin nehmen. Ich finde, wir sollten unsere Route ändern.«
»Ich neige dazu, wie Teresa zu denken«, antwortete Markus. »Diese Reiter werden uns überall finden, aus welchem Grund auch immer. Ich schlage vor, den Weg nach Santiago gehen.« Er senkte die Stimme zu einem Flüstern.
»Und zu gegebener Zeit werden wir von diesem Weg abweichen.«
War das jetzt eine Finte, um sie von ihrem Verdacht abzulenken? Aber er konnte ja nicht wissen, dass sie einen Verdacht hatte. Sie würde mit ihrem Vater darüber reden, vielleicht konnte er ihre Bedenken zerstreuen.
»Sei’s drum.« Froben gab sich geschlagen.
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