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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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gleich da. Nicht vergessen Trinkgeld!«
    »Unverschämt ist der Kerl auch noch!« Sebastian wurde wütend, doch Tilla zog ihn zurück.
    »Lass das, oder willst du dir Prügel einfangen?«
    Sebastian funkelte sie beleidigt an. »Mit dem werde ich leicht fertig!«
    »Deine Wunden sind noch nicht völlig abgeheilt und die Kraft deiner Arme reicht gewiss nicht aus, um mit dem Kerl da mithalten zu können. Außerdem hat er Freunde hier.«
    Tilla wies auf ein paar Männer, die nun näher kamen und die Leine auffingen, die ihnen der Ferge zuwarf. Sie zogen den Kahn ein Stück stromauf und vertäuten ihn an einem primitiven Steg. Danach stellten sie sich so auf, dass die Passagiere zwischen ihnen hindurchgehen mussten.
    »Also sei gescheit!«, mahnte Tilla Sebastian und reichte dann dem Fergen noch eine kleine Münze. Er schien zufrieden zu sein, deutete eine leichte Verbeugung an und zog seine schmierige Wollmütze vom Kopf. »Wünsche den Herrschaften noch eine glückliche Reise nach Santiago.«
    Diesen Satz musste er oft geübt haben, um ihn so flüssig über die Lippen zu bringen, dachte Tilla, während sie ans Ufer stieg. Die Freunde des Fergen streckten die Hände nach ihr aus, um ihr zu helfen. Sie selbst wehrte sie ab, doch Hedwig und die Zwillinge fühlten sich wegen des leicht schaukelnden Bootes unsicher und nahmen die Unterstützung an. Doch kaum befanden sie sich auf sicherem Boden, hielten ihre Helfer die geöffneten Hände hin und ließen keinen Zweifel daran, dass sie ein Trinkgeld erwarteten.
    Da die drei Frauen nicht sofort etwas gaben, schimpften die Kerle lauthals los und drohten mit den Fäusten. Zuletzt zupfte Anna Tilla ängstlich am Arm. »Hast du nicht ein paar kleine Münzen für die Männer? Ich habe Angst vor ihnen.«
    Vater Thomas schüttelte energisch den Kopf. »Wenn wir jeden Lumpen, der uns unterwegs begegnet, für seine Unverschämtheiten mit Geld belohnen wollten, müssten wir schon den halben Hinweg bettelnd zurücklegen und die Flüsse schwimmend durchqueren!«
    »Ich kann aber nicht schwimmen«, rief Hedwig. Tilla und die anderen Frauen nickten und Peter und Dieter sahen ebenfalls so aus, als fürchteten sie das Wasser.
    Vater Thomas schritt auf die schimpfenden Männer zu, machte eine segnende Geste und winkte dann seiner Gruppe, ihm zu folgen. Ein paar Steine flogen ihnen nach, doch als Tilla vorsichtig über die Schulter zurückschaute, richteten die Kerle ihr Augenmerk bereits auf einen anderen Kahn, der sich bis zum Rand mit Pilgern beladen dem Ufer näherte. Sie glaubten wohl, bei diesen leichter an Geld zu kommen als bei Tillas Gruppe, die sich als äußerst taub für einen solchen Wink erwiesen hatte.

II.
    Der weitere Weg führte die Pilger durch die Landschaft des Condomois nach Süden, über Eauze, Nogaro und Garlin hielten sie auf Pau zu. Dort, so hofften sie, würden sie Blanche einem Vasallen Gastons III. übergeben können.
    Das Land vor ihnen wurde wieder bergiger und sie sahen in der Ferne bereits das blaugrau schimmernde Band der Pyrenäen, die sich wie ein gewaltiger Riegel vor ihnen erstreckten. Obwohl der Sommer bereits fortgeschritten war, schimmerten die höchsten Gipfel in der Ferne weiß und brachten trotz der Hitze, die ihnen das Mark aus den Knochen zu brennen drohte, eine Vorahnung des Winters mit sich.
    Tillas Augen sogen sich an dem Gebirge fest, dem sie nur unmerklich näher kamen. In nicht allzu ferner Zeit würden sie es erreichen und überqueren müssen, wenn sie nicht in die kalten Winde geraten wollten, die schon bald über die Höhen fegen würden. Auch aus diesem Grund sah sie Blanche als ein Hindernis an, dessen sie sich so rasch wie möglich entledigen wollte.
    Andere dachten nicht so weit wie Tilla, sondern schienen die Gesellschaft der jungen Edeldame zu genießen. Starrheim wandte Blanche beinahe seine ganze Aufmerksamkeit zu, und Sebastian wieselte ebenfalls eilfertig um sie herum und versuchte, ihr den Weg zu erleichtern. Tilla krauste verächtlich die Lippen, denn sie erinnerte sich daran, wie die beiden auf Felicia de Lacaune hereingefallen waren. Jene Dame hatte den Tod der Pilger, die ihr beigestanden hatten, kalt lächelnd in Kauf genommen. Tilla musste immer wieder daran denken, dass die beiden liebestollen Kerle nur deswegen mit halbwegs heiler Haut davongekommen waren, weil sie sich Aymer de Saltilieu hingegeben hatte. Wäre sie nicht Veit Gürtlers Witwe, hätte diese Begebenheit sie ihre Jungfernschaft und damit jede Aussicht auf

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