Die Pilgerin
mein Guter! Ich will die ganze Geschichte hören. Immerhin haben diese Leute meiner Nichte geholfen, weil sie dachten, sie wäre auf der Flucht.«
»Ich war auf der Flucht vor Saltilieu!«, warf Mademoiselle Felicia mit verkniffenen Lippen ein.
»Es war die Laune eines Mädchens, die man nicht ernst nehmen darf«, bellte Saltilieu. »Außerdem gab es keinen Anlass zur Flucht! Ihr, Comte Gaston wie auch Seine Majestät Roi Charles, hattet euch bereits auf ein neues Bündnis geeinigt, das durch eine Heirat zwischen Mademoiselle Felicie und mir bekräftigt werden sollte.«
»Ich heiße Felicia und nicht Feeliisii«, fauchte die junge Dame ihn an.
Erneut hob der Graf die Hand. »Contenance, meine Liebe! Unser ehrenwerter Gast, Baron Hugues, spricht die Wahrheit. Roi Charles und ich haben tatsächlich Frieden geschlossen, und ichhabe den Vorschlag des Königs angenommen, dich mit seinem treuen Gefolgsmann Baron Hugues zu vermählen.«
Während Graf Gaston seine Nichte zurechtwies, wäre Tilla am liebsten davongelaufen. Hugues de Saltilieu sah nämlich ganz so aus, als wolle er sie und die gesamte Pilgergruppe auf der Stelle erschlagen lassen, nur weil sie es gewagt hatten, seinen Plänen in die Quere zu kommen. Dabei war ihm, wie sie jetzt sehen konnte, nicht einmal ein Schaden aus der Sache entstanden. Mademoiselle Felicia hatte ihm zwar entfliehen können, doch nun war sie ihm von den Launen des Schicksals erneut ausgeliefert worden. Tilla begriff jedoch rasch, dass Wegrennen keine Lösung war, und richtete ihr Augenmerk auf Graf Gaston. Wenn es jemand gab, der sie und die anderen vor Saltilieus Zorn beschützen konnte, dann war er es.
Gaston Fébus befahl nun Blanche, ihre Geschichte zu erzählen. Diese holte weit aus und strich dabei den Anteil des jungen Starrheims in Tillas Augen über Gebühr heraus, während sie die anderen Pilger einschließlich Sebastians zu Nebenfiguren degradierte.
Ihr Vormund hörte ihr zu und wischte sich, als sie geendet hatte, kurz über die Augen. »Der wackere Cœurfauchon ist also tot – von Söldnern erschlagen, die zu feige waren, dem Ruf Bertrand du Guesclins zu folgen. Mögen sie dafür in der Hölle schmoren.«
»Es sind auch zwei unserer Gefährten umgekommen!« Tilla wusste nicht, was sie dazu trieb, dem Herrn dieses Landes in die Parade zu fahren.
Graf Gaston wandte sich nun ihr zu und versuchte sie einzuschätzen, was ihm allerdings wegen der Kleidung, die auf dem Weg doch arg gelitten hatte, und der alten, von Wind und Regenaufgerauten Pelerine nicht so recht gelingen mochte. Trotzdem geriet er auf die richtige Spur.
»Ah, du bist wohl der junge Mann, der sich als meine Nichte ausgegeben hat! Du scheinst aber doch ein Weib zu sein, meine Gute.«
»Ich hatte Gründe, mich zu verkleiden.« Tilla neigte kurz das Haupt und bewies Gaston von Béarn, dass sie zwar wohlerzogen, aber keine Frau von Stand war. Er schien ein wenig verwundert, wurde aber nun von Starrheim angesprochen, der sich als Spross der auch hier gut bekannten Habsburger-Sippe vorstellte.
Hugues de Saltilieus Gesicht wurde bei diesem Bekenntnis sichtlich länger, und es hob seine Laune nicht, als sein Vetter Aymer ihm ins Ohr flüsterte, er solle froh über diesen Ausgang sein, sonst hätte er sich den Zorn der Habsburger Herzöge zugezogen und mit der Rache von Starrheims edel geborenen Freunden rechnen müssen.
Auch Felicia de Lacaune betrachtete Graf Rudolf nun mit anderen Augen und erklärte mit sanft-süßer Stimme, wie sehr sie sich freue, ihn unversehrt wiederzusehen. »Ich war in großer Sorge um Euch, denn dieser Mann hier, dem ich nach dem Willen meines Oheims anheim gegeben werde wie eine Kuh, die von einem Stall zum anderen getrieben wird, ist leider, wie ich erkennen musste, zu allem fähig.«
Eine Liebesehe wird das gewiss nicht werden, dachte Tilla mit einer gewissen rachsüchtigen Zufriedenheit. Sie gönnte Mademoiselle Felicia ihr Schicksal, und sie fand den Vergleich mit den Kühen sogar recht treffend, denn zwei dieser Tiere bildeten neben anderen Zeichen das Wappen, welches ihr Onkel trug.
Unterdessen war der Herr von Béarn zu einem Entschluss gekommen.»Graf Starrheim-Habsburg, erlaubt mir, Euch auf meiner Burg willkommen zu heißen. Einer meiner Kammerknechte mag Euch und Blanche zu den Baderäumen führen, damit Ihr den Staub der Reise von Euch abwaschen und Euch umkleiden könnt. Danach nehmt als Gast an meinem Tisch Platz.«
Starrheim wollte dem eifrig herbeieilenden Mann
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