Die Pilgerin
nichtvorstellen, dass Sebastian, mit dem er früher gut ausgekommen war, sich für ihn verwenden würde.
Während er über sein Schicksal nachgrübelte, verdeckte plötzlich ein Schatten das Licht der Unschlittlampe, die auf einem wackeligen Gestell brannte, und er blickte verwundert auf. Bei Felicias Anblick weiteten sich seine Augen und für einen Augenblick überlegte er, sie zu packen, auf den schmutzigen Boden zu werfen und sie für ihre nicht eingelösten Versprechungen bezahlen zu lassen.
Felicia spürte, wie nahe sie vor einer brutalen Vergewaltigung stand, wich aber nicht zurück. Ihr Blick bohrte sich in die Augen des Mannes und sie forderte ihn mit einer Geste auf, sich zu erheben. »Wie gut kannst du mich verstehen?«
Sepp hatte bei der Pilgergruppe und dann auch hier in Orthez einiges von den fremdartigen Dialekten aufgeschnappt und begriff etliches von dem Gesagten, ohne sich jedoch verständlich machen zu können. Deswegen nickte er nur, während seine Blicke sich an die Frau hefteten, als wolle er sie ausziehen.
»Ich werde mich bemühen, so zu sprechen, dass du begreifst, was ich sage.« Felicia war erleichtert, denn für das, was sie dem Mann erklären wollte, konnte sie keinen Zeugen brauchen.
»Was willst du von mir?« Sepps Aussprache war gerade noch verständlich und seine Gesprächspartnerin begriff, dass sie von seinen Sprachkenntnissen nicht zu viel erhoffen durfte. »Dir wurde doch geraten, dich nicht von Baron Hugues sehen zu lassen!«
Wieder nickte Sepp. Insgeheim klammerte er sich an die Hoffnung, dass sein Leben wieder besser würde, wenn dieser Mann die Burg endlich verlassen hatte.
»Der Baron ist auf der Suche nach den Leuten, die mir bei meiner Flucht geholfen haben. Er hat die beiden Männer, die mich begleitet haben, aufgespürt und ohne Gnade getötet. Jetzt will er sich an dir und den Leuten aus deiner Pilgergruppe rächen, die ein übles Schicksal hierher geführt hat.« Felicia wollte noch mehr sagen, doch Sepp, der nur Baron Hugues, Pilger und Tod begriffen hatte, unterbrach sie erregt.
»Vater Thomas und die anderen müssen fort und ich auch!« Er wollte losrennen, um seine Landsleute zu warnen, doch Felicia packte ihn an seinem schmierigen Kittel und hielt ihn auf.
»Flucht nützt nichts! Zu Pferd ist Hugues de Saltilieu auf jeden Fall schneller als ihr, und außerhalb der Burg seid ihr ihm hilflos ausgeliefert.«
Sepp brauchte einige Augenblicke, bis er verstand, was sie ihm gesagt hatte. Nun erschien ihm seine Lage aussichtslos, denn gegen den gut gerüsteten Ritter und seine Begleiter hatten weder er noch seine Freunde die geringste Chance.
Felicia de Lacaune verfolgte sein Mienenspiel und setzte lächelnd zum letzten Angriff an. »Nur der Tod Hugues de Saltilieus kann euch retten! Ein Mann müsste den Mut besitzen, ihn zu töten!«
»Mut? Ihn töten? Ich habe keine Waffe!«
Trotz dieser zögerlichen Worte sah Felicia de Lacaune dem Deutschen an, dass dieser bereit war, ihren Verlobten umzubringen. »Eine Waffe ist leicht zu besorgen. An der Stelle, an der Baron Hugues deine beiden Kameraden getötet hat, liegt noch das Schwert. Hole es dir! Greife ihn nicht offen an! Warte auf eine gute Gelegenheit. Er muss sofort tot sein, verstehst du? Wenn du ihn verletzt, ist es dein Ende und das deiner Landsleute!« Felicia de Lacaune spielte meisterhaft mit den Gefühlen des rauen Mannes, der sich zwar weniger für die beiden Männerinteressierte, die mit der Dame geflohen waren, aber umso mehr für die Pilgergruppe. Trotzdem vergaß er auch sich selbst nicht. »Ich tue es! Doch dafür verlange ich meinen Preis!«
Felicia de Lacaune brauchte einen Augenblick, bis sie sein Sprachgemisch verstand. »Was forderst du?«, fragte sie dann hochmütig, denn sie nahm an, er würde mit ein paar Münzen zufrieden sein.
Sepp wies jedoch auf das Strohlager, das man ihm zugewiesen hatte. »Ich wollte schon immer wissen, wie es ist, eine Dame von Stand zu reiten. Jetzt werde ich es erfahren!«
Seine Gesten waren eindeutig, und Felicia wollte ihn zuerst mit ein paar empörten Worten zurechtweisen. Dann aber begriff sie, dass er Gewalt anwenden würde, um an sein Ziel zu kommen, und ihr wurde klar, dass sie dabei wohl eher zu Schaden kommen würde, als wenn sie sich freiwillig für ihn hinlegte. Ihr Blick streifte den türlosen Eingang des Raumes. Um diese Zeit waren die Knechte bei der Arbeit und sie nahm an, dass keiner von ihnen so bald in diesen unfreundlichen Raum zurückkehren
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