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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Führer.
    »Verzeiht, wenn ich mich einmische, ehrwürdiger Vater. Doch Sebastian hier im fremden Land und ohne Geld von uns zu stoßen würde ihn dem Elend und dem Tod ausliefern. Das wäre zu grausam.«
    Vater Thomas sah zuerst sie an, dann Sebastian, der völlig geknickt vor ihm stand, und überlegte. Nach einer Weile atmete er tief durch und legte seine Rechte auf Tillas Schulter. »Du hast Recht, meine Tochter. Es wäre grausam und nicht im Sinne unseresHerrn Jesus Christus. Sebastian kann bei uns bleiben, aber er wird seiner Strafe nicht entgehen.«
    »Danke.« Sebastian kniete vor dem Pilgerführer nieder und küsste seine Hand. Die Angst, hier in der Fremde, unter Menschen, deren Sprache er nicht verstand, verstoßen zu werden, war größer als die vor jedweder anderen Strafe.

IV.
    In dieser Nacht gönnte Vater Thomas seinen Schützlingen keinen Schlaf, sondern brachte sie in die dem heiligen Laurentius geweihte Kirche und ließ sie dort im Schein einer einzelnen Laterne beten, bis der Morgen seine ersten dämmrigen Finger durch die Kirchenfenster streckte. Danach ging es ohne Frühstück oder auch nur einen Augenblick der Erholung weiter. Schon bald blieb Pamplona hinter ihnen zurück. Dörfer mit kleinen, aus Bruchsteinen gemauerten Häusern unter flachen Dächern säumten ihren Weg, Bauern boten ihre Erzeugnisse zum Kauf an und da und dort zog der Duft frisch gebackenen Brotes verführerisch in ihre Nasen.
    Vater Thomas ließ jedoch nirgends Rast machen. Erst als sie am frühen Nachmittag einen kleinen Flusslauf erreichten, der von dichten Büschen gesäumt wurde, gab er das Zeichen, anzuhalten. Die anderen wagten nicht, ohne seine Erlaubnis zu trinken. Er erteilte sie, hielt aber Sebastian zurück.
    »Da du gesündigt hast, wirst du dich mit Fasten reinigen. Daher wirst du heute weder Essen zu dir nehmen noch etwas trinken«, erklärte er barsch. »Die nächsten Tage magst du dich an Wasser laben und erhältst am Morgen ein Stück Brot.«
    Sebastian nickte, auch wenn der Hunger sich in seinen Gedärmenbemerkbar machte und seine Zunge sich so trocken anfühlte wie ein Stück alten Rindsleders. Er wollte sich setzen, doch ein Blick des Pilgerführers brachte ihn davon ab. Vater Thomas nahm nun ebenfalls einen Schluck Wasser zu sich, dann schritt er ein Stück am Bach entlang, schnitt einen kräftigen Zweig ab und befreite ihn von Blättern und kleineren Seitentrieben, bis er eine kräftige Rute in der Hand hielt.
    Damit trat er auf Sebastian zu. »Zur Strafe dafür, dass du deine Fleischeslust nicht bezwingen konntest, wirst du von jedem Mitglied unserer Gruppe einen scharfen Hieb erhalten. Zudem wirst du unser Pilgerkreuz zwölf Tage hintereinander tragen und die nächsten drei Tage so fasten, wie ich dir vorhin aufgetragen habe.«
    Sebastian nickte, auch wenn ihn diese Strafe zu hart für die paar Augenblicke dünkte, die er bei der Hure verbracht hatte.
    »Zieh dich aus!« Vater Thomas’ Befehl ließ ihm keine Zeit mehr, länger über sein Elend nachzudenken. Sebastian schlüpfte rasch aus Kittel und Hemd und zog, als Vater Thomas auf seine Bruche zeigte, auch diese samt den Beinlingen aus.
    »Nackt hast du gesündigt und nackt sollst du deine Strafe in Demut hinnehmen«, erklärte der Pilgerführer und wies ihn an, sich mit den Händen nach oben gegen einen Baumstamm zu lehnen.
    Sebastian tat es und empfing den ersten Hieb. Auch wenn er schmerzhaft war, so hatte Vater Thomas doch nicht mit voller Kraft zugeschlagen. Die meisten der Gruppe, die nun einer nach dem anderen zum Vollzug antraten, ließen ebenfalls eher Gnade vor Recht ergehen. Annas Schlag war fast schon zu leicht, doch der Pilgerführer ließ es mit einem mahnenden Heben der Augenbrauen durchgehen. Als Blanche jedoch ebenfalls Anstalten machte, nur leicht zuzuschlagen, räusperte er sich vernehmlich.Das Mädchen sah ihn erschrocken an und schwang dann die Rute zu seiner Zufriedenheit.
    Tilla hatte sich bislang im Hintergrund gehalten und kämpfte mit ihren Gefühlen. Unterwegs hatte sie Sebastian das eine oder andere Mal nackt gesehen, doch in dieser Stunde, in der er als hilfloses Opfer den Hieben seiner Begleiter ausgeliefert war, musterte sie ihn das erste Mal bewusst. Sein Körper war harmonisch gebaut und wies gerade genug Muskeln für einen Mann auf, aber nicht jene brutale Kraft, die einem Hugues de Saltilieu zu eigen war. Sebastians Gesicht wirkte, obwohl es nun schweißüberströmt war, so hübsch, wie es einem Mann gerade noch

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