Die Pilgerin
in Panik. »Soldaten! Wir müssen uns verstecken!«
»Zu spät! Sie haben uns bereits gesehen und ihre Reiter sind in jedem Fall schneller als wir. Am besten wird sein, wenn wir die Straße freigeben und dort unter diesem Baum lagern. Vielleicht lassen sie uns in Ruhe.« Starrheim knirschte mit den Zähnen und bedauerte nicht zum ersten Mal, nur seinen Stock als Waffe zu besitzen. Wie unzulänglich dieser gegen einen entschlossenen Gegner mit Schwert oder Kriegshammer war, hatte er bereits bei jenem Kampf mit den Marodeuren erleben müssen.
Tilla und die meisten anderen fanden seinen Rat gut und bogen nun von der Straße ab. Dabei mussten sie Ambros festhalten, der am liebsten wie ein Hase losgelaufen wäre. Zuletzt packte Sebastian dem zitternden Mann das Kreuz auf die Schultern. »Hier, halte dich daran fest. Vielleicht verleiht der heilige Jakobus dir Mut. Den Leuten da kannst du eh nicht entkommen.«
Ambros nickte mit bleichen Lippen, doch kaum hatten sie die Stelle erreicht, die Starrheim ihnen genannt hatte, ließ er das Kreuz fallen und legte sich flach auf die Erde, als hoffe er, dem Gedächtnis der fremden Krieger zu entschwinden, wenn sie ihn nicht mehr sahen.
Tilla und die Frauen blickten sich ängstlich an. Alle wussten, dass ihnen das, was Renata geschehen war, ebenso zustoßen konnte. Die Männer schwankten zwischen dem Willen, sich und die Frauen notfalls zu verteidigen, und völliger Niedergeschlagenheit.
Blanche kroch zu Starrheim hin und fasste nach seiner Hand. »Versprich mir, mich zu töten, damit ich nicht das Unfassbare erleiden muss!«
Der junge Ritter zog sein Tischmesser aus dem Futteral, so unzureichend die Waffe auch sein mochte, und nickte. »Dich wird keine mutwillige Hand berühren, das schwöre ich dir.«
Tilla fand das Gehabe der beiden ein wenig übertrieben, doch auch sie zitterte innerlich vor Anspannung, als sich mehrere Ritter von der Spitze des Heerzugs lösten und auf sie zutrabten.
»Es sind Franzosen! Ich erkenne sie an ihren Waffenröcken.« Starrheim zeigte auf den vordersten Reiter, der über seiner Rüstung eine rote Tunika mit goldenen Querstreifen und einem weißen Adler trug und einen Schild mit dem gleichen Wappenin der Linken hielt. Dann aber wurden seine Augen von einem anderen Ritter angezogen, der in Schwarz und Silber gewandet war und ein geteiltes Wappen in den gleichen Farben zeigte.
»Philippe de Saint Vith! Wie zum Teufel kommt der zu den Franzosen?« Er stand auf und ging dem burgundischen Ritter, von dem er sich im Land der Eidgenossen getrennt hatte, ein paar Schritte entgegen.
Als er ihn ansprechen wollte, ignorierte Saint Vith ihn jedoch mit hochmütigem Blick und sah stattdessen Tilla an. »Mademoiselle de Coeurfauchon, mein Oberbefehlshaber Bertrand du Guesclin lässt Euch seine Grüße entbieten und lädt Euch und Eure Begleiter ein, im Schutze seines Heeres weiterzureisen.«
»Ich bin Blanche de Coeurfauchon!« Das Mädchen war beleidigt, weil der Ritter eine andere für sie gehalten hatte.
Saint Vith neigte leicht den Kopf. »Ich bitte, mein Versehen zu entschuldigen, doch da ich diese weibliche Person damals nicht bei den Pilgern gesehen und Euch nicht gleich entdeckt habe, habe ich einen falschen Schluss gezogen. Ist diese Frau Eure Leibmagd?«
»Das wohl kaum. Ich bin eine Pilgerin und mehr geht Euch nichts an!« Tilla ärgerte sich über den aufgeblasenen Ritter, der auf ihre Begleiter mit Ausnahme Blanches herabsah, als wären es Würmer zu den Hufen seines Pferdes.
Tillas Ärger war jedoch nichts gegen die Empfindungen, die Starrheim beim Anblick seines früheren Freundes durchtobten. Für den schien nicht mehr zu zählen, dass sie zusammen am Hofe des burgundischen Herzogs Philippe aufgewachsen und gemeinsam den Ritterschlag erhalten hatten. Noch mehr ärgerte er sich, als er in einem von Saint Viths Begleitern seinen einstigen Gefolgsmann Gero erkannte, der nun ebenfalls dieschwarz-silbernen Farben trug und damit zeigte, dass er sich nicht mehr dem Hause Habsburg verpflichtet fühlte.
Im Augenblick konnten jedoch weder Starrheim noch die anderen mehr tun, als aufzustehen und den Franzosen zu folgen. Saint Vith ritt ihnen ein gutes Dutzend Schritte voran, während seine Männer die Gruppe umringten, als wären es Schafe, die zum Scheren getrieben werden sollten. Man brachte sie zum Tross, der aus Dutzenden einachsiger Karren bestand, welche im schlechten Gelände besser zu handhaben waren als die großen, vierrädrigen Wagen,
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