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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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zum Aufbruch war. Die Mönche schienen gewohnt zu sein, dass die Pilger wegen der Andacht in der Stiftskirche kein Frühstück einnahmen, und reichten ihnen etwas Wegzehrung. Vater Thomas bedankte sich im Namen seiner Schützlinge, dann machte sich die Gruppe in immer noch andächtiger Stimmung auf den Weg.

III.
    Beinahe unmerklich ging das Gebirge in ein weites Hügelland über, in dem fleißige Bauern lebten, die sich trotz der Kriege, die Navarras Nachbarländer Kastilien und Aquitanien erschütterten, einen gewissen Wohlstand geschaffen hatten. Manche gaben den Pilgern ein Stück Brot oder Käse umsonst, andere verlangten ein paar kleine Münzen dafür oder verschlossen sogar ihre Türen, wenn sie die Wanderer mit den weiten Mänteln und dem Pilgerstab auch nur von weitem sahen.
    In Tillas Gruppe hatten die meisten inzwischen ihr letztes Geld verloren oder ausgegeben. Nur sie und Peter besaßen noch genug Münzen, um halbwegs angenehm reisen zu können. Blanches Geld hatte Graf Gaston Tilla zur Aufbewahrung übergeben. Zu aller Überraschung begann ausgerechnet der früher so egoistische Peter, seine Börse aufzuschnüren, bezahlte die Mahlzeiten, die sie unterwegs einnahmen, und warf auch das eine oder andere Silberstück in den Opferstock, um den Klöstern für Unterkunft und Verpflegung zu danken.
    Tilla merkte schon bald, dass er als Erster Renata Brot, Käse und Wein reichte und dieser auch das Wasser aus Brunnen und Bächen schöpfte, wenn sie unterwegs rasteten. Sie wundertesich darüber und behielt die beiden daher im Auge. Zum ersten Mal, seit sie von Ulm aufgebrochen waren, hingen die Schwestern nicht mehr zusammen wie die zwei Seiten einer Münze. Peter schob sich unauffällig, aber stetig zwischen sie und unterhielt sich immer wieder mit Renata. Anna, die sich etwas missachtet fühlte, schloss sich Ambros an, der völlig in sich selbst zurückgezogen wirkte. Tilla hatte immer wieder versucht, ein Gespräch mit ihm zu beginnen, um ihn aus seiner Starre zu reißen, war aber einsilbig abgefertigt worden. Der Goldschmied hatte nicht einmal gewagt, ihr ins Gesicht zu sehen, sondern jedes Mal seinen Kopf weggedreht und ein frommes Lied angestimmt.
    Nun grübelte Tilla, wie sich die Menschen verändern konnten. Zu Beginn ihrer Pilgerschaft hatte sie Peter und Sepp am wenigsten von allen gemocht und Ambros am meisten. Doch jetzt ärgerte sie sich über den Goldschmied und wunderte sich, wie freundlich die beiden anderen geworden waren.
    Auf Sepp schien die Episode mit Felicia de Lacaune einen guten Einfluss ausgeübt zu haben, denn anders als früher erwies er sich als wertvolles Mitglied der Gruppe und riss sich geradezu darum, das schwere Pilgerkreuz zu tragen.
    Auch an dem Tag, an dem sie Pamplona, die Hauptstadt Navarras, vor sich sahen, hatte er es geschultert und sang trotz der Anstrengung mit ihnen. Schon aus der Ferne konnte man erkennen, dass Pamplona größer war als die Städte, durch die die Gruppe in letzter Zeit gekommen war, und als sie sich einem der Tore näherten, die das hoch aufragende Mauerrund durchbrachen, erblickten die zwölf die Türme der mächtigen Kathedrale und vieler anderer Kirchen, von denen Vater Thomas ihnen San Saturnio, San Nicholás und San Lorenzo nennen konnte.
    Die Straßen Pamplonas waren eng, verwinkelt und voller Leben. Neben anderen Pilgern sah Tilla Handelsleute, Juden, die in ihren vorgeschriebenen Trachten eilig an ihnen vorbeihasteten, und dann den ersten Mauren. Dieser trug ein langes, weißes Gewand und eine rote Kopfbedeckung aus gewickeltem Tuch, die, wie Vater Thomas ihr erklärte, Turban genannt wurde. Sein Gesicht war kaum dunkler als das der Einheimischen, doch im Unterschied zu diesen war sein schwarzer Bart sorgfältig gepflegt und in seiner Hand hielt er eine Gebetsschnur aus kleinen, rosafarbenen Steinperlen, die sich stark von den Rosenkränzen unterschied, die von Menschen christlichen Glaubens verwendet wurden.
    Noch während sie dem Mauren staunend nachblickte, erreichte die Gruppe die Pilgerunterkunft, die im Viertel der Navarrer lag. Es gab, wie Vater Thomas berichtete, in der Stadt nahe der Königsburg noch ein Viertel der Franzosen, die von König Karl II., der selbst französischer Abkunft war, in vielen Dingen gegenüber den alteingesessenen Bürgern bevorzugt wurden. Bei diesen handelte es sich um Vasconen, die ihre Stadt Iruña nannten und zäh an ihrer fremdartigen Sprache festhielten. Wie diese Leute zu ihrem König standen, der neben

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