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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Euch zu gerne mit seinem Mündel Blanche vermählen. Sie ist nicht nur eine reiche Erbin, sondern bringt Euch zu Eurem Grafentitel den eines Barons in Frankreich und in Béarn hinzu.«
    Bisher hatte Starrheim Blanche trotz ihrer Verehrung für ihn eher als kleines Mädchen angesehen denn als junge Frau, doch nun fand er die Idee einer Verbindung mit ihr gar nicht so schlecht. Blanche würde noch vor dem Winter fünfzehn werden und war damit alt genug, ins Brautbett gelegt zu werden. Er atmete tief durch und nickte. »Es wäre mir eine Ehre, wenn Ihr als Brautwerber für mich zu Gaston Fébus gehen könntet.«
    »Das tue ich gerne, mein lieber Starrheim.« Saltilieu klopfte dem jungen Grafen auf die Schulter und wandte sich Sebastian zu, denn hier gab es noch eine Ehe, die er stiften konnte. Er hatte die Blicke gesehen, mit denen Sebastian Tilla und diese ihn angesehen hatte, und da der junge Bursche sich als sehr tapfer erwiesen hatte, suchte er nach einer angemessenen Belohnung. Dann aber entschied Saltilieu, dass dies kein Thema war, über das man auf einem Schlachtfeld reden sollte. Stattdessen wies er auf die Leute, welche die Verwundeten zusammentrugen, und nickte dann, als müsse er sich selbst bestätigen.
    »Um unsere Blessierten sollen sich die frommen Brüder von San Pedro de Arianza kümmern. Wer noch fähig ist, mit dem Heer zu marschieren, folgt mir nach Süden. Ich glaube zwar nicht, dass wir noch rechtzeitig zur Entscheidungsschlacht zwischen den Unseren und dem Heer König Pedros eintreffen werden, doch wir sollten nicht versäumen, den hohen Herren unsere eigenen Taten kundzutun!«

ACHTER TEIL

Am Ende der Welt

I.
    Santiago!
    Während der Reise hatte Tilla oft tage- und sogar wochenlang daran gezweifelt, diese Stadt jemals erreichen zu können. Nun stand sie auf dem Berg der Freude oder Monte del Gozo, wie ihn die Einheimischen nannten, und blickte mit klopfendem Herzen auf ihr Ziel hinab. Für einen Augenblick dachte sie bedauernd an ihren hastigen Aufbruch von Puente la Reina, der sie das aus einem Stück gefertigte Kreuz gekostet hatte, welches sie unter vielen Mühen bis Spanien getragen und den Mönchen des Klosters in Obhut gegeben hatten. Starrheims Boten hatten ihnen kaum die Zeit gelassen, sich reisefertig zu machen, und so war ihnen erst bei der Mittagsrast aufgefallen, dass sie in der für Pilger unziemlichen Eile vergessen hatten, es sich wiedergeben zu lassen. Ambros, der nur ungern von dem Kloster geschieden war, wollte sofort wieder umkehren und das Kreuz holen, doch die Männer, die sie zu ihren Freunden geleiten sollten, hatten es ihm geradewegs verboten. Auch sonst nahmen ihre Wächter wenig Rücksicht auf den Sinn der Wallfahrt, sondern hatten ihre Schützlinge auf Maultiere gesetzt, so dass die Pilger nur einen Bruchteil des Weges zu Fuß zurücklegen konnten.
    Obwohl die sanften Reittiere weitaus bequemer gewesen waren als der anstrengende Fußmarsch, hatte nicht nur Tilla es bedauert, dass sie daran gehindert wurden, ihre Reise so zurückzulegen, wie es sich für Pilger gehörte. Um ihr Gewissen zu beruhigen, hatten sie durchgesetzt, die letzte Viertelmeile vor ihrem jeweiligen Tagesziel aus den Sätteln steigen und neben den Tieren hergehen zu dürfen. Starrheims Söldner hatten ihnen dies und schließlich auch den Besuch der Kathedralen in den großenStädten erlaubt, so dass sie wenigstens dort beten konnten. Einen Vorteil hatte die ihnen aufgezwungene Begleitung, denn die Söldner ließen ihnen die für höhergestellte Reisende bestimmten Gasträume in den Klöstern und Pilgerherbergen zuweisen, so dass sie sehr vornehm und unbehelligt von jenen Scharen nächtigen konnten, die sich zumeist für Gottes Lohn im großen Schlafsaal zusammenfanden und Läuse und Flöhe brüderlich miteinander teilten.
    Dicht vor dem Ziel dachte Tilla jedoch mit einer gewissen Wehmut an die harten Tage in Frankreich, an denen sie und ihre Pilgerkameraden mit blutigen Füßen gehungert und sich Gott doch viel näher gefühlt hatten als auf der letzten Strecke. Die Orte, durch die sie gekommen war, hatten kaum Erinnerungen in ihr hinterlassen, und sie wusste nicht, ob sie dieses oder jenes prächtige Kirchenportal in Logroño oder Burgos gesehen hatte oder vielleicht doch in León. Nun umklammerte sie ihre Pilgertasche und tastete unter dem spröde gewordenen Leder nach dem Zinnkästchen mit dem Herzen ihres Vaters, als suche sie Trost. Als sie es unter ihren Fingerspitzen spürte, war sie um

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