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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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seinetwillen froh, ihrem Ziel so nahe zu sein. Sie rutschte aus dem Sattel und beschloss, die letzte Strecke zu Fuß zu gehen, egal, was ihre Führer auch sagen mochten.
    Vater Thomas, Peter, Dieter, Hedwig und Blanche folgten ihrem Beispiel, ebenso Renata, während Anna auf ihrem Maultier sitzen blieb und Ambros noch zögerte. Schließlich stieg auch er ab und nahm das kleine, silberne Kreuz, welches ihm der Abt von Puente la Reina als Geschenk mit auf den Weg gegeben hatte, in die rechte Hand. Mit der Linken wies er auf die Stadt unter ihnen und kämpfte mit den Tränen. Man konnte ihm ansehen, dass ihn nicht nur Freude und Erleichterung bewegten,sondern auch das Wissen um seine Schwäche. Er hatte sich unterwegs nicht als der Mann erwiesen, der er sein wollte, und das lastete wie ein Berg aus Scham auf seiner Seele.
    Anna schien mit ihm zu fühlen, denn sie beugte sich aus dem Sattel und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ja, bald sind wir am Ziel. Das scheint mir nach so vielen Tagen, die wir wandern und warten mussten, wie ein Traum.«
    Ambros nickte gedankenverloren. »Es war ein schwerer Weg. So viele Berge mussten wir überwinden und das bei schier unerträglicher Hitze!« Seine Stimme klang so müde, als habe er alle Pässe Asturiens und Leóns in hochsommerlicher Glut zu Fuß bewältigt.
    Es wäre besser für ihn gewesen, hätte er diese Strapazen tatsächlich erleiden müssen, fuhr es Anna durch den Kopf. Aber statt zu Fuß durch die Berge zu wandern hatten sie den Winter im Kloster verbracht. Die Witterung in Puente la Reina war kühl und regnerisch gewesen, doch anders als in ihrer Heimat hatte es weder Schnee noch Eis gegeben. Nun ging es aufs Frühjahr zu und es wurde tagsüber schon sehr warm. Daher war sie froh um die Maultiere gewesen, besonders um ihrer Schwester willen, deren Schwangerschaft schon deutlich sichtbar war.
    Renatas Zustand hatte sie zu Anfang ein wenig gewundert, doch sie vermochte eins und eins zusammenzuzählen und war sich sicher, dass Peter nicht der Vater des Ungeborenen sein konnte. Also trug ihre Schwester die Frucht der Vergewaltigung durch die Söldner in sich. Dieses Wissen söhnte sie mit Renatas Entscheidung und auch mit ihrem neuen Schwager aus, und sie sah Peter mit anderen Augen an. Ein wenig Neid erfüllte sie, denn er ging zärtlicher mit ihrer Schwester um, als sein Vorgänger es je getan hatte. Er mochte seine Eigenheitenaufweisen und er gab immer noch keinen Heller mehr aus als nötig – außer für Renatas Bequemlichkeit. Aber das war kein Fehler, zumal er in den Klöstern, in denen sie übernachteten, die Almosen gab, die einem Mann wie ihm angemessen waren.
    Mit einem Mal fand Anna die Idee, wieder verheiratet zu sein, gar nicht so übel, versprach sie doch ein warmes Bett und einen Menschen, mit dem man jederzeit reden konnte. An das andere würde sie sich gewiss gewöhnen, denn sie hatte sich stets dem Willen ihres Mannes gebeugt, auch damals … Sie versuchte, diese Erinnerung zu verdrängen, denn sie rührte Dinge in ihr auf, die sie am liebsten ungeschehen machen würde. Um sich abzulenken, schenkte sie Ambros ein Lächeln. »Die Berge waren wirklich steil und heiß war es auch. Man sollte kaum glauben, dass es noch so früh im Jahr ist.«
    »Und geregnet hat es, ach was – geschüttet würde ich es nennen«, brummte Ambros, dem anscheinend nichts recht war.
    »Etwas Frühlingsregen schadet keinem«, spottete Dieter. »Schau dich doch um, wie grün das Land ist. Wenn ich daran denke, wie verbrannt die Gegend ausgesehen hat, durch die wir im Herbst gekommen sind, muss man um jeden Tropfen Regen dankbar sein.«
    Er erntete von Ambros nur ein Schnauben, machte sich aber nichts daraus, sondern sprach Tilla an. »Glaubst du, dass wir alle unsere Freunde in Santiago wiedersehen werden?«
    »Starrheim ist gewiss dort! Immerhin hat er uns rufen lassen.« Tillas Stimme schwankte ein wenig, denn bisher hatte sie nichts über Sebastian in Erfahrung bringen können. Die Männer, von denen sie und ihre Gefährten in Puente la Reina abgeholt worden waren, hatten nicht einmal seinen Namen gekannt, sondern nur von dem österreichischen Grafen gesprochen, der sie befehligte.Alles, was sie zu berichten wussten, drehte sich um die Tatsache, dass Starrheim in der Schlacht großen Ruhm erworben hatte.
    Niemand freute sich darüber mehr als Blanche, die sich gut von den Strapazen des Überfalls und der Wanderung erholt hatte. Nun sah sie mit ihren blonden Haaren und dem

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