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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Fall hätte er seine Aufgabe nicht im Sinn Herzog Stephans erfüllt, und das würde seinen Ruf bei Hofe ruinieren.
    Erneuter Lärm enthob Otfried einer Antwort. Er stand mit einer wütenden Geste auf und ging zum Fenster. Als er hinausschaute, begann es bereits zu dämmern. Eigentlich hatte er befohlen, dass alle Bürger bei Anbruch der Nacht in ihren Häusern zu sein hatten, doch anscheinend wagten es an diesem Tag nicht wenige, gegen seine Anordnungen zu verstoßen und dabei auch noch herumzuplärren.
    Verärgert über diese Unverschämtheit und besorgt wegen Kadelburgs unverblümter Forderung, die Stadt in den nächsten Tagen an Bayern zu übergeben, wandte Otfried sich an Anton Schrimpp. »Was sitzt du hier noch herum? Es ist deine Aufgabe als Hauptmann der Stadtwache, für Ordnung zu sorgen.«
    Der Gescholtene starrte entsagungsvoll in seinen leeren Becher, den er gerade wieder hatte füllen lassen wollen, und stand auf. Sein Gang war nicht mehr ganz sicher, denn die junge Magd, die Otfried an Ilgas Stelle in sein Haus genommen hatte, hatte ihm den Nachmittag über ebenso wacker eingeschenkt, wie er getrunken hatte.
    »Jetzt beeil dich gefälligst!«, spornte Otfried seinen Untergebenen an.
    Anton Schrimpp nahm sich so gut wie möglich zusammen, verließ das Zimmer und hangelte sich am Treppengeländer nachunten. Als er ins Freie trat, entfaltete der genossene Wein jedoch seine volle Wirkung, und er fühlte, wie ihm der Mageninhalt hochkam. »Ich hätte den fetten Braten nicht essen dürfen«, fuhr es ihm noch durch den Kopf, bevor er sich geräuschvoll erbrach.
    »Bei Gott, wie kannst du Schwein nur kotzen, wenn es in der Stadt drunter und drüber geht!« Von zwei Stadtbütteln begleitet tauchte Rigobert Böhdinger aus dem Halbdunkel auf und blieb vor Anton Schrimpp stehen. Mit einem Blick erkannte er, dass der andere nicht mehr zu gebrauchen war. Er wollte den Bütteln schon anschaffen, den Betrunkenen irgendwo hinzubringen, wo er niemand im Weg umging, gab diesen Gedanken aber mit einer wegwerfenden Handbewegung auf und eilte ins Haus.
    Als er Otfried seelenruhig am Tisch sitzen sah, stieß er einen knurrenden Laut aus. »Bei allen Höllenteufeln noch mal! In der Stadt wird gekämpft und du denkst nur ans Fressen.«
    Otfried fuhr auf wie von der Tarantel gestochen. »Wie wagst du es mit mir zu sprechen?« Dann erst begriff er, was der andere gesagt hatte, und klopfte sich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. »Was soll der Unsinn! Wer soll in dieser Stadt schon kämpfen?«
    »Das ist kein Unsinn! Fremde Söldner haben die Tore erbrochen und sind in die Stadt eingedrungen. Statt davonzulaufen, haben die Bürger sich ihnen angeschlossen und belagern derzeit das Quartier der Bayern.«
    »Pah, die werden dieses Gesindel rasch auseinandergetrieben haben!« So als wolle er seine Worte bekräftigen, stieß Otfried sein Messer in den Rehrücken und schnitt sich ein großes Stück ab.
    Rigobert Böhdinger sah fassungslos zu, wie er das Fleisch in denMund steckte und genussvoll darauf herumkaute. »Otfried, das ist keine Zusammenrottung von ein paar Einzelnen. Die ganze Stadt steht gegen uns auf. Wenn du nichts unternimmst, werden sie uns alle umbringen!«
    Während Tillas Bruder nur verständnislos glotzte, blickte Kadelburg auf. »Was faselst du da, Bursche? Bist du dir sicher, dass es einen Aufstand gibt?«
    »So kann man es auch nennen. Soviel ich von einem der Büttel erfahren konnte, ist das Südtor durch eine Kriegslist eingenommen worden. Eine Rotte Söldner ist in die Stadt eingedrungen und von der Bürgerschaft begeistert empfangen worden. Unsere sämtlichen bayrischen Krieger dürften nicht ausreichen, um mit dem Aufruhr fertig zu werden.«
    »Dann holt die Büttel dazu! Die freuen sich doch darauf, den hochnäsigen Bürgern eines über den Rüssel geben zu können. Oder noch besser: rufe alle Bewohner der schlimmen Gassen zur Unterstützung herbei. Sag ihnen, sie können in allen Häusern plündern, deren Bewohner sich an der Rebellion beteiligen. Was meinst du, wie begeistert die sein werden.« Otfried rieb sich bei dem Gedanken die Hände, denn er hoffte, sich auf diese Weise auch der letzten Opposition entledigen zu können.
    Kadelburg aber begriff, dass Otfrieds Herrschaft an einem seidenen Faden hing. Wenn dieser Bürgermeister von bayrischen Gnaden nicht aufpasste, würde er schnell und sehr tief fallen. Der Emissär des Bayernherzogs stand auf und wischte seine Hände am Tischtuch ab. »Jetzt müssen

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