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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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viel Wert auf die Besuche dieses unangenehmen Zeitgenossen legte. Mit Gürtler traf er sich tagtäglich, Koloman Laux aber hatte er noch kein einziges Mal in dem Haus empfangen, das nun das seine war. Dies tat Tilla leid, denn sie mochte den Bürgermeister. Von ihm war sie immer freundlich und zuvorkommend behandelt worden, und sie hatte ihn sogar Onkel nennen dürfen. Nun aber tat Otfried so, als wäre Laux ein unerwünschter Geschäftspartner oder gar ein Fremder. Dabei war es der ausdrückliche Wille ihres verstorbenen Vaters gewesen, sie mit Laux’ Sohn Damian zu verheiraten.
    Plötzlich stutzte Tilla und griff sich an die Stirn. Bei Gott, dachte sie, das kann doch nicht sein! War es vielleicht die Absicht ihres Bruders, diese Abmachung rückgängig zu machen und sie Veit Gürtler zum Weib zu geben? Sie stieß wütend die Luft aus den Lungen und schwor sich, dass sie einer solchen Heirat niemals zustimmen würde, ganz gleich, was Otfried sagen oder tun mochte.

II.
    Veit Gürtler hatte die Bewegung hinter dem Fenster bemerkt und seine Schritte beschleunigt. Dennoch kam er zu spät. Als er den Hof des Willinger-Anwesens betrat, sah er nur noch einen Schatten hinter der Tür des Rückgebäudes verschwinden. Im ersten Impuls wollte er Tilla folgen, sagte sich aber, dass er sich damit nur zum Narren machen würde, und hieb verärgert mit der Hand durch die Luft. Dann verzog er seine Lippen zu einem höhnischen Grinsen. »Ich werde dir deine Mucken schonaustreiben, Jungfer Ottilie. Du wirst lernen, mir zu gehorchen, das schwöre ich dir.«
    Das verständnislose Grunzen des Torwächters erinnerte Gürtler daran, dass er nicht allein war. Er drehte sich zu dem Knecht um und versetzte ihm einen Stoß. »Glotz nicht so dumm!« Ohne sich weiter um den Mann zu kümmern, schritt er zur Tür des Wohnhauses, die auf den Hof führte, und stieß im Flur mit Ilga zusammen.
    Gürtler packte sie am Arm. »Wo befindet sich dein Herr?«
    »Im Kontor! Wartet, ich melde Euch an.« Ilga war der Blick des Mannes unangenehm und sie versuchte sich zu befreien.
    Gürtler zog sie lachend an sich heran und griff ihr mit der freien Hand ans Mieder. »Du hast einiges an dir, das mir gefällt. Ich werde deinem Herrn sagen, dass er dich seiner Schwester als Magd mitgeben soll, wenn ich sie heirate.«
    Sonst war Ilga nicht auf den Mund gefallen, doch diese Frechheit verschlug ihr die Sprache. Als Gürtler sie jedoch mit dem Rücken gegen die Wand drängte und sich gegen sie presste, so dass sie die anwachsende Beule in seiner Leibesmitte an ihrer Hüfte spürte, zischte sie ihn an. »Stoßt, wen Ihr wollt, aber mich lasst in Frieden!«
    Als Antwort zwickte Gürtler sie so fest in den Busen, dass sie aufschrie. »Aua! Ihr tut mir weh.«
    »In den nächsten Tagen werde ich dir wohl doch einmal die Röcke hochschlagen müssen. Glaub mir, ich bin ein besserer Hengst als dein Herr – und wahrscheinlich auch großzügiger.« Gürtler rieb seinen Leib noch einmal an dem ihren und ließ sie los.
    »Pah!« Mit diesem Laut kehrte die Magd ihm den Rücken und rannte die Treppe hoch, um aus seiner Nähe zu kommen.
    Lachend ging Gürtler weiter und trat in das Kontor. OtfriedWillinger saß auf dem Stuhl seines Vaters und studierte mehrere Listen. Als er hörte, wie sich die Tür öffnete, deutete er ohne aufzusehen auf eine Truhe. »Stelle es dorthin!«
    »Verzeih, mein Freund, ich glaube, du verwechselst mich mit jemand.« Gürtler grinste und streckte Otfried die Hand entgegen.
    Tillas Bruder ergriff sie eifrig, schüttelte sie und wies dann auf die Briefe. »Kannst du mir erklären, was diese Leute hier wollen? Die berufen sich da auf angebliche Abmachungen mit meinem Vater, die ich gefälligst einzuhalten hätte.«
    Gürtler nahm die Schreiben an sich und überflog sie. »Das ist nur ein Versuch, einen in ihren Augen noch nicht flüggen Gimpel auszunehmen. Antworte ihnen, dass sie dir gefälligst die Summen schicken sollen, die sie dir noch schuldig sind, sonst würdest du keine weiteren Geschäfte mit ihnen abschließen.«
    »Aber sie sind mir doch nichts schuldig!«, rief Otfried verblüfft.
    »Das mag sein, aber es wird sie dazu bringen, in Zukunft das Maul zu halten. Du musst diesen Kerlen Achtung vor dir einflößen, mein Freund. Erwähne ruhig meinen Namen. Dann werden sie wissen, woran sie sind.« Gürtler gefiel sich darin, den erfahrenen Geschäftsmann zu spielen, der den Jüngeren lehren konnte, wie man sich gegen unberechtigte Forderungen

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