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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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eisernen Banden an ihn gefesselt sein. »Also gut! Du erhältst das Mädchen zum Weib. Doch du kannst die Mitgift nicht von Gleich zu Gleich verrechnen. Ottilie ist immerhin deine Schwester, Radegund aber nur meine Nichte. Ich gebe ihr die Hälfte dessen mit, was ich von dir verlangen kann.«
    Otfried zog ein saures Gesicht, er hatte gehofft, völlig ungeschoren aus dieser Sache herauszukommen. Eine Mitgift, wie Gürtler sie jetzt für seine Nichte bot, durfte er auch bei einer anderen Heirat erwarten. Dann aber dachte er an ihre gemeinsamen Pläne und sagte sich, dass er weitaus größere Summen aus ihrer Zusammenarbeit würde ziehen können.
    »Also gut! Ich stimme zu. Beide Heiraten werden noch heute geschlossen!« Otfried streckte seinem Gast die Hand hin, die dieser mit spöttischer Miene ergriff.
    »Du hast es wohl eilig, ins Ehebett zu kommen! Aber so gut wie deine Bettmagd Ilga wird Radegund wohl kaum sein. Du wirst dich damit zufriedengeben müssen, wenn sie dir gehorsam die Beine spreizt und dabei nicht zu laut den Rosenkranz betet.«
    »Glaubst du, dass du es bei meiner Schwester besser hast?«, gab Otfried lachend zurück.
    »Oh, dieses Stütchen werde ich mir schon richtig zureiten. Im Gegensatz zu dir habe ich bereits Erfahrung als Ehemann und weiß, was ich zu tun habe.« Gürtler klopfte Tillas Bruder gönnerhaft auf die Schulter und forderte ihn auf, Papier und Feder zur Hand zu nehmen, um die neue Abmachung niederzuschreiben.
    »Wir werden beide Ehen heute in den frühen Abendstunden schließen. Da ihr euch noch in der Trauerzeit befindet, werden unsere Mitbürger verstehen, warum wir keine Feier veranstalten. Wir sollten allerdings durchklingen lassen, dass es später einmal ein großes Fest geben wird, damit die Leute zufrieden sind. Du aber sieh zu, dass deine Schwester im Haus ist, wenn ich mit dem Priester komme!« Nach dieser Ermahnung diktierte Gürtler Otfried den Ehekontrakt.

III.
    Tilla hatte den größten Teil des Tages bei der alten Elsa verbracht und ihr bei etlichen Arbeiten geholfen. Nun machte sie sich widerwillig auf den Rückweg, und jeder Schritt, der sie dem Willinger-Haus näher brachte, schlug ihr wie ein Stich in den Magen. Unterwegs überlegte sie, ob sie kurz bei Onkel Laux vorbeischauen sollte, entschied sich aber dagegen. Es war der Ehre eines jungen Mädchens nicht zuträglich, wenn es ohne Begleitung ein fremdes Haus betrat.
    Kritischere Mitbürgerinnen tadelten sie bereits hinter vorgehaltener Hand, weil sie während der Trauerzeit allein durch die Straßen lief und ihre Schritte zumeist nicht auf eine Kircherichtete. Doch eine Magd hätte sie bei ihren Fluchten vor Gürtler behindert. Vater Eusebius von Sankt Nikolaus hatte sie ebenfalls schon ermahnt, aber da ihre Besuche nur ihrer ehemaligen Kinderfrau galten, rechnete er ihr dies nicht als schwer wiegende Sünde an. Beim Bürgermeister durfte sie sich jedoch nicht sehen lassen. Immerhin hatte ihr Vater mit Laux die Heirat zwischen ihr und Damian ausgehandelt, wenn auch noch kein Kontrakt geschlossen worden war. Daher wollte sie diesen Freier nicht mit ungehörigem Benehmen verscheuchen.
    Mit dieser Überlegung schlüpfte Tilla durch die schmalen, übel riechenden Gassen des schlimmen Viertels, das sich zwischen der Abzweigung zu Laux’ Anwesen und dem ihres Bruders erstreckte, und erreichte kurz darauf den Garten. Diesmal fand sie ihn nicht leer vor. Ein Knecht arbeitete mit der Harke in den Beeten und runzelte die Stirn, als er sie wie eine Vorstadtrange über den Zaun steigen sah. »Das solltest du nicht tun, Tilla.«
    »Ich wollte nicht durch die halbe Stadt laufen und Hinz und Kunz auf dem Marktplatz grüßen müssen«, redete Tilla sich heraus und ging an dem Mann vorbei.
    Dieser lehnte sich auf den Stiel seiner Harke und sah sie an. »Dein Bruder hat vorhin nach dir gefragt.«
    Tilla rümpfte die Nase. »Ist Gürtler noch im Haus?« In dem Fall würde sie sofort zu Elsa zurückkehren und notfalls bei ihr schlafen.
    »Den habe ich schon vor einer ganzen Weile gehen sehen«, antwortete der Knecht. In seiner Stimme schwang ein gewisser Tadel. Gürtler mochte nicht der angenehmste Mann in der Stadt sein, aber gewiss war er einer der reichsten und niemand tat gut daran, ihn zu verärgern. Das galt seines Erachtens auch für Tilla, deren Bruder eng mit Gürtler befreundet war.
    Tilla schenkte dem Knecht keine Beachtung, sondern lief durchdas Hinterhaus und überquerte den Hof. Vorsichtig stieß sie die Pforte des

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