Die Pilgerin
zukünftige Frau hat hier nichts zu suchen.«
Das war nicht die Antwort, die Ilga sich gewünscht hatte. »Herr, Ihr hattet mir versprochen, mich zu heiraten!«
Otfried musste an sich halten, um nicht laut aufzulachen. Hatte das dumme Ding die Worte, die er in seiner Erregung ausgestoßen hatte, doch tatsächlich für bare Münze genommen! Am liebsten hätte er sie mit ein paar harschen Worten an die Arbeit geschickt. Aber er traute ihr zu, sofort zum Pfarrer zu laufen und diesem alles zu beichten. Wenn Vater Eusebius erfuhr, dass er mit seiner Magd der Unzucht gefrönt hatte, anstatt für die Seele seines Vaters zu beten, würde dieser ihn von der Kanzel aus anklagen und mit einer Kirchenstrafe belegen. Das konnte er sich in seiner Situation nicht leisten. Es würde schwer genug werden, dem Geistlichen die beiden überstürzt und von einem anderen Pfarrer geschlossenen Ehen zu erklären.
Mit einem raschen Griff fasste er Ilga um die Hüften und zog sie zu sich heran. »Du musst verstehen, dass mir keine andere Wahl bleibt. Ein Willinger kann in erster Ehe nicht eine einfache Magd heiraten. Ich habe einen Ruf in der Stadt zu wahren, denn als Nachfolger meines Vaters bin ich nicht nur der Herr unseres Handelshauses, sondern auch ein Mitglied des Hohen Rates. Die anderen Ratsherren würden mich vom Tor des Ratshauses weisen lassen, wenn ich so etwas Unbedachtes täte. Meine Geliebte kannst du jedoch bleiben, und wer weiß, vielleicht ergibt sich irgendwann einmal sogar die Möglichkeit einer Heirat. Als Witwer muss ich nicht mehr darauf achten, wen ich nehme, solange es kein Weib vom unehrlichen Volk ist.«
Die letzten Worte hatte er sich schnell aus den Fingern gesogen,um die Magd zu beruhigen, und der Erfolg gab ihm Recht. Ilga hörte zu schluchzen auf und blickte ihn mit dunkel schimmernden Augen an. »Schwöre mir, dass ich deine zweite Frau werde!«
»Bei Gott dem Herrn, soll ich vielleicht einen Priester holen, der meine Worte ins Kirchenbuch schreibt? Närrin! Mein Versprechen ist so gut wie ein Schwur. Doch nun eile dich und richte meine Kammer, damit ich mit meiner Braut dort weitermachen kann, wo ich bei dir aufgehört habe.«
Bei den Worten hob er Ilgas Rock hoch und tätschelte ihren nackten Hintern. Ihr Blick streifte seine Leibesmitte und sie sah, wie der schlaffe Wurm, der dort hing, wieder zu neuem Leben erwachte. Am liebsten hätte sie ihn dazu gedrängt, sie so oft zu nehmen, bis nichts mehr übrig war, was er seiner Braut noch hätte geben können. Doch als sie eine aufreizende Bewegung machte, richtete Otfried nur grinsend sein Gewand, verließ die Kammer und ließ sich auf seinen Stuhl sinken.
»Du kannst jetzt gehen und tun, was ich dir aufgetragen habe! Ich habe noch etliche Briefe zu beantworten.« Er sagte es in einem Ton, als hätte sie den Boden kehren wollen und ihn dabei gestört.
Ilga biss die Zähne zusammen und traute sich erst nach einem tiefen Luftholen die Frage zu stellen, die sie beinahe zerfraß. »Und wer ist die Frau, die Ihr heiraten wollt?«
Erstaunt über so viel Hartnäckigkeit blickte Otfried auf. »Gürtlers Nichte Radegund.«
»Dieses Kind? Die hat doch noch nicht einmal die Wolle, die hierher gehört.« Die Magd stieß einen keuchenden Laut aus, hob den Rock und zeigte auf ihre Schambehaarung.
Ihr Herr zuckte nur mit den Schultern. »Wenn sie auch nur halbwegs so gebaut ist wie du, werde ich es überstehen.
IV.
Tillas Wut steigerte sich mit jeder Viertelstunde, die die Glocke von Sankt Nikolaus schlug, und ihre Angst wuchs in gleichem Maße, denn sie fragte sich, was sie erwarten mochte. Wer auch immer den Riegel vorgelegt hatte, war nicht ohne Otfrieds Zustimmung oder seinen Befehl an ihre Kammertür getreten. Dahinter konnte nur eine neue Bosheit ihres Bruders stecken. Hatte nicht Ilga ihr gesagt, er erwarte Gäste, für die sie sich gut kleiden sollte? Sie rümpfte die Nase bei dem Gedanken und ließ sich auf ihr Bett sinken, fest entschlossen, hier sitzen zu bleiben, wenn man sie holen wollte. Nach einer Weile aber sagte sie sich, dass sie nach unten gehen musste, wenn diese Gäste erschienen, denn sie war die Hausfrau und musste ihre Pflicht erfüllen. Was das hieß, hatte der Vater ihr beigebracht, als sie nach dem Tod ihrer Mutter deren Stelle im Haushalt eingenommen hatte.
Verärgert über sich selbst, weil ihre Gefühle schwankten wie ein Zweig im Wind, machte Tilla sich daran, ein anderes Kleid auszusuchen. Da sie in Trauer war, wählte sie ein
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