Die Plantage: Roman (German Edition)
das Feld räumen. »Wann reisen Sie ab?«, fragte Tyler.
»Morgen.«
»Sie gehen nach Serenity Heights, auf Ihren neuen Besitz?«
»Nicht sofort, ich will zuerst nach Legacy.«
»Oh richtig. Legacy. Wie konnte ich das vergessen!«
Tylers Miene ließ nicht erkennen, ob er nur gekränkt oder wütend war. Deshalb zögerte William; er wollte sich nicht im Streit von ihm trennen.
»Ich denke, Tyler, ich kann Ihnen nachempfinden …«
»Nein, Marshall, das können Sie nicht!«, fiel ihm Tyler aufgebracht ins Wort. »Wenn Sie es könnten, wäre das alles nicht passiert. Nur jemand wie Sie, der eben nicht nachfühlen kann, was er anderen antut, fordert Liebe ein, wo er doch Verachtung verdiente, nachdem er eine Frau in Antonias Lage verlassen hat!« Seine scharfen Worte hatten Passanten aufhorchen lassen, darum mäßigte er sich, als er weitersprach: »Ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, dass ich Antonia freigebe, weil ich ihre Zerrissenheit nicht mitansehen möchte? Ich will ihr den Schmerz einer Entscheidung ersparen, und ich nehme auch auf Ihre Gefühle Rücksicht.«
»Vielleicht sollten Sie in Zukunft weniger rücksichtsvoll sein.«
»Und lernen, wie man über Leichen geht, so wie Sie? Das können Sie doch am besten, Marshall.«
William war sich der Würdelosigkeit dieses Wortwechsels bewusst. Wieso hatte er es dazu kommen lassen? Er wollte Tyler nicht verletzen, er mochte ihn, trotz allem, und das musste erihm sagen. »Sie haben recht, ich bin rücksichtslos und gehe über Leichen, wenn es sein muss. Aber nicht heute.« Die Droschke fuhr vor. Er berührte ihn versöhnlich am Arm. »Leben Sie wohl, Tyler. Ich hoffe, wir sehen uns wieder.«
Es war nicht die übliche Sprechzeit für Patienten, aber als Mrs. Randell ihn anmeldete, empfing Ingham ihn sofort und bat ihn, an seinem Arbeitstisch Platz zu nehmen. »Als ich vor drei Tagen Ihre Nachricht bekam«, begann Ingham, »bin ich sofort nach Hollow Park hinausgefahren.«
»Hat Mr. Quinn Ihnen berichtet, was passiert ist?«
»Das hat er, wenn auch etwas verworren.« Ingham überlegte kurz, dann sagte er: »Machen wir uns nichts vor! Sie wissen, ich hatte befürchtet, dass es so kommen würde. Ich wollte es Mr. Quinn ausreden, sich auf ein so gefährliches Experiment mit einem Geistesgestörten einzulassen, aber er war nicht davon abzubringen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sich Mr. Reeds Zustand so rapide verschlechtern würde. Vielleicht hat auch irgendein unerwartetes Ereignis seinen kranken Geist aufgestört? Wir wissen es nicht. Diese geistigen Krankheiten sind sehr rätselhaft.« Ingham seufzte. »Der arme Quinn macht sich Vorwürfe, er hätte nicht richtig aufgepasst. Ich habe versucht, ihn zu beruhigen. Ich sage es ungern, Mr. Marshall, aber es war für alle Beteiligten vielleicht das Beste, dass Reed sich erschossen hat.«
»Nicht für alle Beteiligten.« William dachte an seine verlorene Rache. So sehr hatte er sie herbeigewünscht, dass sie nun bei ihm blieb, wie ein Versprechen, das er nicht einlösen konnte. Er dachte auch an Joshuas Frau, Rovena. »Was wird jetzt aus den Schwarzen, die sich für den Mord von Elverking verantworten müssen? Durch Reeds Tod wird ihre Lage nicht besser.«
»Oh, Sie haben es noch nicht gehört? Man hat sie freigelassen.«
»Dann werden sie also nicht angeklagt? Warum?«
»Der Mörder wurde gefunden.«
»Moment, Doktor, Sie und ich wissen, dass der Mörder … tot ist.«
»Sehr richtig, er ist tot.« Ingham nickte. »Man hat die Leiche des Mannes in der Reismühle von Stratton gefunden, er hat sich auf dem Trockenboden erhängt. Es handelt sich um den Caid von Elverking, Jeremy. Reeds Verwalter fand ihn bei der Inspektion der Mühle.«
William runzelte die Stirn. »Wieso glaubt man, dieser Jeremy habe die Frau getötet?«
»Nun, genau weiß man es natürlich nicht. Es heißt, Jeremy habe bei der Vernehmung durch den Constable die Voodoo-Priesterin und ihre Anhänger des Mordes an Prudence Fraser beschuldigt; man glaubt nun, er versuchte, den Verdacht auf die Voodoo-Sklaven zu lenken, die ohnehin jedermann suspekt sind. Dann ist er davongelaufen; für den Constable kommt seine Flucht einem Geständnis gleich.«
»Aber Sie sagten, der Mann habe sich erhängt. Das ist nicht logisch: Erst ist er geflohen, dann soll er sich umgebracht haben? Was glauben Sie, ist wahr, Doktor?«
»Schwer zu sagen. Kürzlich kam ich zu meinen Malariapatienten nach Elverking, dort hörte ich von den Sklaven eine andere Version.
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