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Die Plastikfresser

Die Plastikfresser

Titel: Die Plastikfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kit Pedler und Gerry Davis
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letzten Rippe aufzurichten und dann – ins Leere zu schnellen, gegen die gegenüberliegende Wand des engen Schachts. Ein kleiner Fehler, und er würde unten bei Anne und Slayter landen. Doch wenn es gelang, würde er sich mit seiner ganzen Länge von einsfünfundachtzig von der Wandung des großen Schachts bis zum äußeren Rand des kleineren Schachts strecken müssen.
    Dann würde er seine Füße nacheinander an die Wand des kleinen Schachts stützen und dabei gleichzeitig mit den Armen auf der anderen Seite einen beständigen Druck aufrechterhalten müssen. Wenn er einmal so weit war, gab es jedoch keinen Weg mehr zurück, dann führte nur noch der Weg nach oben, – und ein Fehltritt auf dem Weg nach oben, und er würde den Schacht hinunterstürzen.
    Und was würde er oben vorfinden? Angenommen, der Schacht führte unmittelbar zu einem eisernen Schutzgitter, daß nicht zu bewältigen war? Dann mußte er an dem Gitter hängen bleiben, höchstwahrscheinlich unfähig, die Aufmerksamkeit von Passanten auf sich zu lenken, – bis ihn seine Kräfte verließen …
    Angenommen, der Schacht führte zu einem jener runden, bedeckten Entlüftungslöcher? Dort würde es nicht einmal eine Möglichkeit geben, sich festzuhalten. Kein Ausweg – nur die Einbahnstraße nach unten …
    Seine einzige Hoffnung lag in einer Biegung des Schachtverlaufs. Dann würde er das schräge oder horizontale Stück entlang kriechen und vielleicht den Verschluß durchtreten können. Vielleicht war das Metall rostig oder nicht sehr stark. Aber wohin würde es führen? Andererseits – konnte das Metall der Schächte nicht bereits verrottet sein und unter seinem Gewicht und dem Druck, den er ausübte, zusammenbrechen?
    Er blickte nach unten. Er hielt unwillkürlich die Luft an, als er die Höhe wahrnahm.
    Anne und Slayter hatten sich inzwischen auf den Boden gesetzt und die Fackeln in Betonrisse geklemmt; sie lehnten gegeneinander und waren fast ohnmächtig vor Erschöpfung und Anspannung. Viel länger würden die beiden nicht mehr durchhalten. Und selbst wenn sie noch eine Weile durchhielten, wer würde sie hier jemals finden? Nein, es gab nur eine Richtung – die nach oben. Gerrard rüstete sich für die gefährlichste Kletterpartie seines Lebens.
    Dreimal straffte er sich, und dreimal überflutete ihn eine Welle der Schwäche, der Unentschlossenheit und der Angst. Er spürte, daß seine Beine nicht die nötige Kraft aufbringen würden, um ihn hinüberzufedern.
    Er kauerte gegen die Wand gepreßt, zitterte, fühlte sich schwach und mutlos, doch dann brandete plötzlich ein Gefühl der Scham in ihm hoch – und dann Zorn.
    Später wußte er nur zu berichten, daß sein Körper sich automatisch straffte und seine Beine ihn hinterrücks ins Leere schleuderten. Seine ausgestreckten Arme preßten sich gegen die Wandung der Röhre, seine Brust rammte gegen den gegenüberliegenden Teil der Röhre, die Füße federten aufwärts, und einen Augenblick lang schien er im luftleeren Raum zu hängen, bis seine Füße krachend gegen die gegenüberliegende Wand schlugen. Er stemmte sich blitzschnell dagegen und stützte sich ab.
    So ruhte er ein paar keuchende Atemzüge lang. Von unten hörte er einen unterdrückten Schrei, aber er wagte nicht, nach unten zu sehen. Eine unbedachte Bewegung, und er hätte stürzen können.
    Jetzt konnte er nicht mehr zurück. Nun konnte ihm nur noch konzentrierte Anspannung helfen. Er mußte sich mit Füßen und Nacken gegen die Wandung der Röhre pressen und sich zentimeterweise nach oben schieben. Er warf seine letzten Reserven in den Kampf.
    In den nun folgenden Minuten sah und hörte er nichts mehr. Das Herz hämmerte ihm bis zum Hals, sein Blut rauschte in den Ohren, der Schweiß machte ihn blind. Mund und Kehle waren wie ausgedörrt. Er war wie ein Tier, das sich aus einer Falle zum Licht, zur Freiheit kämpfte. Seine Finger und Zehen tasteten nach den kleinsten Unebenheiten, um sich abzustützen, wieder einen Zentimeter zu gewinnen. Als sein Körper nach einer schier unermeßlich langen Zeit seinen Dienst versagte, hielt er inne. Er atmete zitternd und keuchend, hörte, daß er leise schluchzende Geräusche von sich gab, die in der Röhre ein Echo hervorriefen. Er wußte, wenn ihn seine Kräfte auch nur eine Sekunde lang verließen, würde er wie ein Sack Kartoffeln abwärts sausen.
    Durch den Winkel seines Ellbogens blickte er vorsichtig nach unten. Dort war nur ein ferner, schwach flackernder Lichtkreis wahrzunehmen.

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