Die Plastikfresser
einem Sessel und hielt einen großen Kognakschwenker in der Hand. Die drei Männer betrachteten ihn ausdruckslos. Menzelos hatte einen Stadtplan auf den Knien ausgebreitet und zeigte auf die Flaschen seiner Bar in der Ecke. »Nehmen Sie sich noch einen?«
Gerrard nickte und trat an die Bar. Er fühlte sich warm, aber unglaublich müde, der Kognak stieg ihm zu Kopf, er schwankte ein wenig, als er sich wieder hinsetzte. Dumpf und ohne sich deswegen Gedanken zu machen sah er den Pistolengriff, der aus Ackermans Tasche hervorragte. Menzelos folgte seinem Blick.
Gerrard stellte sein Glas auf den Tisch und erhob sich unsicher. »Ich muß geh´n. Ich muß diese Proben ins 5t.-Thomas-Krankenhaus bringen.« Er ging zur Tür, und es überraschte ihn nicht, als Alford mit einer Hand in der Tasche ihm den Weg verstellte.
»Was soll das, Herr Doktor?«
»Doktor – woher wissen Sie, daß ich Arzt bin?«
»Wir haben ein bißchen in ihren Taschen gekramt, während Sie geschnarcht haben.«
»Aber Sie müssen mich gehen lassen! Da unten sind Menschen eingeschlossen! Ich muß …«
Menzelos sagte ganz leise: »Dr. Gerrard – Solly hier meint, wir sollten Sie umlegen.«
»Aber ihr habt mir doch gerade erst das Leben gerettet.«
»Ich lege nicht gern jemanden um. Das ist immer sehr riskant. Aber Sie werden uns helfen.«
»Und wenn nicht?«
Ackerman beugte sich in seinem Sessel vor. Menzelos sprach weiter: »Sie wollen Ihre Proben ins Krankenhaus bringen. Sie wollen Hilfe für Ihre Freunde holen. – Sehen Sie? Und wir wollen auch raus! Also helfen wir uns gegenseitig. Lassen Sie mich doch mal Ihre Proben sehen, Herr Doktor.«
Menzelos streckte seine Hand aus. Gerrard holte eine kleine metallene Büchse aus der Tasche. Die Büchse enthielt die Proben, die er unter dem U-Bahnsteig genommen hatte.
Menzelos nahm ihm die Büchse aus der Hand. Gerrard wollte protestieren.
»Sie kriegen es wieder, Herr Doktor.« Er hob den Deckel ab.
»Solly?«
Ackerman zog die samtenen Diamantensäckchen aus der Tasche.
»Die passen da schön ’rein. Pack’ sie in was anderes ein, es muß echt medizinisch aussehen.«
Ackerman klemmte die Säckchen zwischen Gerrards Probenflaschen.
Menzelos breitete seine Karte auf dem Fußboden aus. Er blickte Gerrard prüfend an. »Also, jetzt paßt mal auf …«
Die vier Männer eilten durch die leeren Straßen, über den Piccadilly und auf einen gespenstisch verödeten Trafalgar Square zu. Die Dämmerung war hereingebrochen. Unten am Square, bei der Einmündung von Whitehall, blieben sie stehen und spähten lauernd in alle Richtungen. Das einzige Geräusch, das zu hören war, war das Zwitschern der Stare hinter den Leuchtreklamen. Am unteren Ende von Whitehall, gleich hinter dem Cenotaph, hob sich dunkel vor dem hellen Schnee eine Stacheldrahtsperre ab, die sich quer über die breite Straße erstreckte. Dahinter standen drei Fahrzeuge, ein großer Militärlastwagen, ein Panzer und ein langgestreckter, olivgrüner Wohnwagen. Die Männer berieten sich.
»Glaubst du wirklich, wir könnten …«, sagte Ackerman.
»Wir haben gar keine andere Wahl«, sagte Menzelos. Ackerman holte die Pistole aus der Tasche und stieß sie Gerrard in den Rücken.
Gerrard blieb reglos stehen. Menzelos schüttelte den Kopf und nahm Ackerman die Pistole ab. Er zog ein Taschentuch aus der Tasche, wischte sorgfältig die Waffe ab und ließ sie in einen Gully fallen.
»He«, sagte Alford. »Was zum Teufel …«
»Hat doch keinen Zweck«, sagte Menzelos. »Das Ding können wir doch nicht gebrauchen. Streng doch mal dein Hirn an – wirmüssen uns ausziehen!«
»Und was ist mit ihm?« nickte Ackerman in Gerrards Richtung. »Das Schwein haut uns doch in die Pfanne, während wir durchgeschleust werden, oder meinst du nicht?«
Menzelos trat ganz dicht vor Gerrard: »Solly hat recht, nicht wahr? – Wenn Sie da drüben sind, können Sie uns in die Pfanne hauen, nicht wahr. Was sagst du nun?«
Ackerman baute sich hinter Menzelos auf: »Komm ja nicht auf so raffinierte Tricks, Kumpel. Ich hau’ dich zu Klump.«
»Ich weiß nicht, was in den Säckchen ist«, sagte Gerrard. »Und ich habe Ihnen versichert, daß es mich nicht interessiert. Ich will nichts anderes als über den Fluß ins St. Thomas-Krankenhaus. Ich gebe Ihnen mein Wort …«
»Scheiß-Pfadfinderehre«, höhnte Alford.
Menzelos blickte Gerrard an, schweigend studierte er sein Gesicht. Plötzlich streckte er eine Hand aus und zog ihm den Probenkasten aus der
Weitere Kostenlose Bücher