Die Pollinger-Kinder und die Knüppelknilche
nach gut dreißig Metern auf einem Maulwurfshügel.
Roswitha strahlte. „Ich bin besser als du“, sagte sie zu Hans-Heinrich, „aber du kannst ja noch üben.“
Hans-Heinrich murmelte etwas Unanständiges, lief zum Bumerang und schleuderte ihn noch ein-, zwei-, dreimal vor sich hin.
Ohne Erfolg. Das Teufelsding dachte nicht daran, zum Werfer zurückzukommen.
Da Hans-Heinrich vom jeweiligen Aufschlagplatz aus warf, näherte er sich immer mehr den Schrebergärten.
Und nach dem vierten Wurf geschah es.
Es schepperte, Hans-Heinrich preßte erschrocken die Hand auf den Mund, und eine Männerstimme polterte: „Was für einKnilch wirft denn da mit Knüppeln herum?!“
„Mensch Meier“, kreischte Roswitha, „hauen wir bloß ab!“
„Kommt nicht in Frage!“ rief Hans-Heinrich zurück. „Abhauen ist feige, und ich möchte auch meinen Bumerang wiederhaben!“
„Wir leben doch nicht in der Steinzeit, wo jeder Knilch mit Knüppeln herumschmeißen kann, wohin er möchte!“ schimpfte die Stimme weiter. Dann tauchte der Mann auf, zu dem sie gehörte.
„Herr Haberkorn“, sagten die Pollinger-Kinder erleichtert. Nein, vor dem brauchten sie sich nicht zu fürchten, auch wenn er noch so sehr herumpolterte.
Dr. Emil Haberkorn war neunundsechzig Jahre alt und pensionierter Professor. Sein besonderes Interesse galt der Steinzeit und den Menschen, die vor Jahrtausenden in Höhlen gewohnt, mit Steinen und Knüppeln Elefanten, Nashörner, Mammute, Wisente, Riesenhirsche und Höhlenbären gejagt und Früchte, Blätter und Wurzeln gesammelt hatten. Über diese Urmenschen hatte Dr. Emil Haberkorn sogar ein Buch geschrieben. Vater Pollinger besaß es, und es waren ganz tolle Bilder darin. Hans-Heinrich und Roswitha blätterten es immer wieder gern durch.
Alle vier Wochen spielte Vater Pollinger mit Dr. Haberkorn eine oder mehrere Partien Schach. Die Herren kamen abwechselnd in der Wohnung des Professors oder bei den Pollingers zusammen. Von daher kannten Hans-Heinrich und Roswitha den „Doktor mit dem Steinzeittick“. (So wurde der Professor in der Hochhaussiedlung genannt, aber es klang mehr respektvoll als spöttisch.)
Jetzt eilte er auf die Pollinger-Kinder zu. Mit der linken Hand wischte er über seine Brillengläser, in der rechten schwenkte er den Bumerang.
Vergeblich versuchten Hans-Heinrich und Roswitha das Lachen zu verbeißen. Sie prusteten los, daß es sie durch und durch schüttelte.
Es war aber auch zu komisch.
Der ganze Kopf des Dr. Haberkorn war mit dicker Nudelsuppe bekleistert. Die Suppe rann über die Brillengläser und tropfte von der Nasenspitze, lange Fadennudeln hingen in der Künstlermähne und im Vollbart. Einige klebten noch zwischen den Fingern des Professors.
Dann erkannte Dr. Haberkorn die Übeltäter und hörte zu schimpfen auf. „Was habt ihr euch bloß dabei gedacht?“ schnaufte er nur noch.
Hans-Heinrich erzählte vom Tausch und von den Wurfübungen. „Ich wollte Ihnen bestimmt nichts tun, Herr Professor“, versicherte er, „und Roswitha hat nur zugesehen. Und wenn etwas kaputtgegangen ist, bezahle ich’s von meinem Taschengeld — Ehrenwort.“
Dr. Haberkorn schmunzelte.
„Was ist denn kaputtgegangen?“ erkundigte sich Roswitha.
Dr. Haberkorn erzählte es, während er die Nudeln aus Haar und Bart streifte.
Da hatte er sich in seinem Gartenhäuschen auf dem Spirituskocher eine dicke Nudelsuppe zubereitet, diese dann draußen auf den Tisch gestellt und sich zum Essen gesetzt.
Dann war es passiert.
Über die Gartenhecke kam ein Holzprügel geflogen und krachte voll in die Suppenschüssel hinein. Die Schüssel war aus Porzellan und ging scheppernd zu Bruch. Die Nudelsuppe spritzte auf und über den Kopf des Professors. Nur gut, daß sie nicht mehr kochend heiß war!
„Es tut mir leid“, murmelte Hans-Heinrich. „Was kostet denn die Schüssel?“
Dr. Haberkorn winkte ab. „Nichts, du Knüppelknilch. Sie war nicht mehr neu, und einen Sprung hatte sie auch schon.“
„Danke, Herr Professor!“ riefen die Pollinger-Kinder.
„Und den Herbert werde ich vertrimmen, weil der Bumerang nichts taugt“, setzte Hans-Heinrich grimmig hinzu.
„Darf ich mal?“ fragte Dr. Haberkorn.
Hans-Heinrich nickte und grinste verstohlen.
Der Professor schwenkte das Krummholz zwei-, drei-, viermal hin und her, dann schleuderte er es flach von sich weg.
Flach!
Da grinste auch Roswitha.
Kurz darauf verging ihnen die Schadenfreude. Da staunten sie mit großen Augen und offenem
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