Die populaersten Irrtuemer ueber das lernen
dürfen, sollten sie die Vor- und Nachteile sorgfältig prüfen und die Empfehlung der Erzieher im Kindergarten berücksichtigen.
Irrtum: Kinder schreiben am besten „Kwatsch“
Dürfen Erst- und Zweitklässler schreiben, wie sie wollen? Ja, sagen viele Fachleute, denn Fehler seien schließlich nicht schlimm. In
deutschen Grundschulen wird über Fehler anfangs tatsächlich meist großzügig hinweggesehen, bis dann plötzlich Schluss ist mit lustig und die Mütter die
Versäumnisse in Heimarbeit ausbügeln dürfen. Unsere Abc-Schützen sollen das „Lesen durch Schreiben“ lernen und manchmal klappt das tatsächlich: Unsere
Große war in der Klemme. Es war im Urlaub. Mein Mann und ich nutzten die Zeit, in der unsere Jüngste Mittagschlaf hielt und ruhten ebenfalls. Karen hatten
wir gebeten, uns nicht zu stören. Ihr war langweilig. Sie wollte nach draußen, um in der Feriensiedlung, dem „Bungalowpark“, nach potenziellen
Spielgefährten Ausschau zu halten, traute sich aber nicht, uns zu wecken und um Erlaubnis zu bitten. Sollte sie so mir nichts, dir nichts das Haus
verlassen? Karen entschied sich dafür, uns zu informieren. Obwohl sie noch nicht in die Schule ging, kannte sie doch einzelne Buchstaben. Nicht alle, aber
ein paar wichtige. Als mein Mann aufwachte, fand er einen Zettel. Darauf stand: „ISCH BIN IM PAK. MIT DEN RADL.“ Aus der Not heraus hatte Karen Schreiben
gelernt. Wir haben sie natürlich für ihre Umsicht gebührend geherzt und gelobt, aber wir wollten doch auch wissen, wie sie das geschafft hatte. Karen
erklärte uns das am Wort „ISCH“. Der erste Laut, so hatte sie sich gedacht, musste ein I sein, wie in „Indianer“. In ihrer Vorschule hatte ein Plakat
gehangen, auf dem jedem Bild ein Buchstabe zugeordnet war. Den zweiten Laut „ch“ kannte sie nur vom Hören, aber auf dem Plakat war ein Schaf und darüber
standen die Buchstaben SCH. Sie habe gewusst, dass sie es nicht richtig geschrieben habe, sagteKaren, aber es habe noch am besten
gepasst — und sie sei sich sicher gewesen, dass wir es schon richtig verstehen würden.
Das Plakat, das unserer Tochter so große Dienste erwiesen hat, war eigentlich eine riesige Anlauttabelle. Landauf, landab üben
Grundschüler das Schreiben anhand von Anlauttabellen, Listen von Buchstaben also, denen Wörter mit entsprechendem Anfangsbuchstaben zugeordnet sind. So
sollen die Abc-Schützen selbstständig Buchstaben-Laut-Beziehungen entdecken und anfangen zu schreiben, wie sie ein Wort hören – ganz gleich, wie es
richtig geschrieben wird. Die Methode wird nicht überall gleich umgesetzt. Die Frage aber muss erlaubt sein: Ist das Prinzip gut oder ist es schlecht?
Schnelle Kinder können anhand einer Anlauttabelle eigenständig arbeiten. Eine erste Klasse ist jedoch keine homogene Gruppe. Da sitzen Kinder, die bereits
enorm viel mitbringen, neben anderen, die sich sehr schwertun. Es sind vermutlich Kinder dabei mit Wahrnehmungsstörungen (ADS und ADHS) und Kinder mit
Migrationshintergrund. Manche von ihnen sprechen womöglich ziemlich schlecht Deutsch. Ein nicht geringer Teil der Kinder wird also kaum in der Lage sein,
den Anlaut etwa des Wortes „A(ffe)“ zu isolieren. Hilft es diesen Kindern, wenn sie ein A neben einem Affen sehen? Nein. Können sie selbständig
Buchstaben-Laut-Beziehungen herstellen? Nein. Die Anlauttabelle hat noch zahlreiche weitere Nachteile. Hier sei nur einer genannt: Die Novizen sollen ein
Wort so schreiben, wie sie es hören. Das Kind hört also z. B. das Wort „Kwatsch“ und schreibt deshalb „Kwatsch“. Es hat alles richtig gemacht. Und doch
hat es das Wort falsch geschrieben. Korrigiert wird das zwar nicht, aber das macht die Sache nicht unbedingt besser. Das Kind schreibt womöglich zwei
Jahre lang „Kwatsch“, um dann zu erfahren, dass das Wort anders geschrieben wird. Dann aber hat sich, so steht zu befürchten, der „Kwatsch“ längst
eingeprägt.
Wir haben viele Schüler, denen das Lesen so schwerfällt, dass sie zwar die Wörter identifizieren, aber den Sinn eines
Satzes nicht verstehen. Können wir diesen Schülern wirklich keine effektivere Strategie anbieten? Die Verhaltenstherapeuten Fritz Jansen und Uta Streit
sowie die Sozialpädagogin Angelika Fuchs haben eine neue, radikal andere Methode zum Erlernen des Lesens und Rechtschreibens entwickelt. Schon das
Material ist ungewöhnlich: Kein Buch, keine Fibel mit bunten Bildern, sondern eine
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