Die populaersten Irrtuemer ueber das lernen
wird.
Nach wie vor wird allerdings anderes behauptet: Nicht passives Hören lasse die grauen Zellen tanzen, wohl aber aktives
Musizieren. Wenn wir unsere Kinder ein Instrument lernen lassen, so der Schluss, würden sie dadurch in der Schule nicht nur Vorteile in Musik haben,
sondern auch in anderen Fächern, zum Beispiel in Mathematik. Ist hier nur der nachvollziehbare Wunsch Vater des Gedanken, oder steckt mehr dahinter?
Tatsächlich weisen zahlreiche Untersuchungen einen positiven Zusammenhang nach. Wer dennoch zweifelt, muss mit dem Vorwurf rechnen, nicht im Bilde zu
sein. Dann wird gern diese oder jene Studie ins Feld geführt, die schließlich genau das Gegenteil beweise. Immer noch gilt vielen die Arbeit eines Herrn
oder einer Frau Professor als unantastbar. Doch auch Wissenschaftler sind Menschen, und die können bekanntlich irren. Wer den Unibetrieb kennt, wird
zustimmen: Auch dort (manche würden sagen: gerade dort) gibt es Eitelkeiten und Erfolgsdruck. Nicht immer ist der akademische Betrieb so frei, wie er sein
sollte. Nicht selten fällt ein Ergebnis so aus, wie es dem Finanzier der Studie gefällt. Und es kommt auch vor, dass ein Forscher falsch liegt. Weil er
(oder sie) von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist, die Ergebnisse falsch interpretiert oder womöglich methodisch nicht sauber gearbeitet hat.
Es bleibt dabei: Zahlreiche Untersuchungen nähren das Vertrauen, dass etwas dran ist an dem Satz „Musizieren macht
klug“. Es gibt allerdings auch Studien, die diesen Satz entkräften. Und zwar gründlich. Im Moment sieht es sehr danach aus, als ob die Skeptiker die
besseren Argumente hätten. Es mehren sich zudem die Hinweise darauf, dass man den Wert des Musizierens hinsichtlich vermehrter Intelligenz viel zu
optimistisch gesehen hat.
Im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hat der Philosoph und Kognitionsexperte Ralph Schumacher die insgesamt
zentnerschweren Untersuchungen zum Thema geprüft und beurteilt. Seine Meta-Studie umfasst 180 Seiten. Schumachers nüchternes Fazit: „Es gibt keine
wissenschaftlich haltbaren Belege dafür, dass musikalisches Training ein besonders geeignetes Mittel ist, um Intelligenz in einem nennenswerten Umfang zu
steigern.“
Für unmusikalische Kinder, die in der Hoffnung auf ein paar zusätzliche IQ-Punkte durch die halbe Stadt zur ungeliebten Geigenstunde
kutschiert werden, dürfte das keine schlechte Nachricht sein. Diejenigen aber, die Musik nicht als Geschenk begreifen, sondern als Mittel zum Zweck,
werden sie alles andere als gerne vernehmen. So oder so: Wer sich für die Details interessiert, sollte sich die sorgfältige Untersuchung von Schumacher zu
Gemüte führen. Sie steht als PDF-Datei im Internet: (URL: http://www.bmbf.de/_media/press/pm_20070406-070.pdf).
Grundsätzlich scheitern viele Studien, die bei Klavier oder Flöte spielenden Menschen eine messbar höhere Intelligenz festgestellt
haben an der Huhn-oder Ei-Frage. Wer etwa das Denkvermögen von bereits bestehenden Personengruppen (musizierende bzw. nicht musizierende) misst, muss sich
die Frage gefallen lassen, was denn zuerst da war. So ist etwa die Annahme legitim,dass Kinder, die ein Instrument lernen, häufig aus
Familien kommen, die auf Bildung besonders viel Wert legen und deshalb ihre Kinder generell sehr intensiv fördern. Wenn einige musizierende Kinder bei
Tests zur Intelligenz tatsächlich besser abschneiden als nicht musizierende Kinder, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass sie dieses Leistungsplus dem
Musikunterricht verdanken.
Und doch steckt im Kern des Mythos auch etwas Wahres: Musizieren, so der derzeitige Forschungsstand, steigert die Intelligenz –
allerdings nur einen Hauch. Sechs Jahre lang die Tuba blasen in der Kindheit dürfte im Schnitt zwei zusätzliche IQ-Punkte im Erwachsenenalter
bringen. Musizieren katapultiert den IQ also nicht wesentlich nach oben, aber es macht selbstverständlich auch nicht dümmer. Allerdings gilt das für jede
Aktivität, für die man das Hirn braucht. Vom Musikunterricht sind Wunder jedenfalls nicht zu erwarten.
Die Überlegung, Musikunterricht in der Schule bringe zu wenig und könne deshalb aus dem überbordenden Lehrplan gestrichen werden, ist
gleichwohl unangebracht. Mit Argumenten für den Musikunterricht ließen sich leicht zahlreiche Seiten füllen. Musik ist gut für die Seele. Musizieren ist
eine Kulturtechnik, die keiner Rechtfertigung bedarf.
Weitere Kostenlose Bücher