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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Menschen gehen und sagen: »Lasst uns nicht von der Universität sprechen.« Hier würde er sagen: »Lasst uns nicht von Monsanto sprechen.«
    Diesmal hat er wenig Interesse an Kirchen. Sollte eine an seinem Weg stehen, wird er nicht nein sagen, aber er wird keinen Umweg machen, um irgendwelche Figuren, Archivolten, Schiffe oder Kapitelle aufzuzählen. Er ist auf der Suche nach Steinen, aber anderen, solchen, die von keinem Meißel bearbeitet wurden, und wenn doch, ihre Rohheit nicht verloren haben. Er wird nicht lange genug in Monsanto bleiben, um zu erfahren, wie viel vom Stein in diesen Menschen steckt, aber er hofft herauszufinden, was von den Menschen auf den Stein übergegangen ist. Ersteres hieße, hierzubleiben, Letzteres, zu gehen.
    Der Weg führt nach oben. Zwischen dem letzten Haus und der Burgmauer liegt ein fast unberührtes Felsenreich, übereinandergetürmte barrocos , riesige Zwischenräume, in die ganze Häuser passen, vier gewaltige Felsen, einer davon fast komplett unter der Erde, als Grundstein, zwei an den Seiten, enorm hoch, und obendrauf eine fast perfekte Kugel, die die anderen kaum berührt, wie ein Satellit, der vom Himmel gefallen ist. Der Reisende glaubte, alle Formen von Steinen gesehen zu haben. Aber wer nie in Monsanto gewesen ist, sollte so etwas nicht behaupten.
    Es ist seltsam. Es gibt keine Häuser hier, und doch könnte er schwören, Zeichen von Leben gehört zu haben, ein Seufzen und Atmen. Wäre es nachts, hätte er einen ziemlichen Schrecken bekommen, aber das Tageslicht ist ein guter Berater, es weckt eigentlich nicht vorhandene Courage. Dieses sind keine menschlichen Geräusche. Hinter den Felsen stehen Schweineställe aus Stein, selbst die Schweine haben hier ihre Burgen, die leider nicht uneinnehmbar sind, denn wenn ihre Stunde geschlagen hat, hilft ihnen kein Graben und keine Zugbrücke.
    Aber stabil sind sie, diese Ställe. Wann sie gebaut wurden, weiß der Himmel, die mit Stützen versehene Einfriedung, der kreisförmige Unterstand, mit Erde bedeckt, auf der Gras wächst, alles so angelegt wie die Festungen der Menschen; bei ihrem Anblick denkt der Reisende, würde man sie einmal ordentlich putzen und frisches Stroh hineinlegen, dann wäre jeder dieser Ställe ein Palast, verglichen mit Tausenden von Baracken, die am Rande der großen Städte stehen. Und auch in Monsanto wird es eine Zeit gegeben haben, in der die Menschen nicht mehr Komfort gehabt haben als die Schweine.
    Der Reisende hat gesagt, er sei nicht auf der Suche nach Kirchen, doch hier stolpert er direkt in eine hinein. Sie besteht aus kaum mehr als vier Wänden, die sowohl von außen als auch von innen nackt sind, und sie hat kein Dach. Es ist die Capela de São Miguel. Sie steht in einer Senke, versteckt zwischen Felsblöcken, von der gleichen Farbe wie die Kapelle. Der Reisende zögert: Soll er zuerst nach rechts zur Burg gehen oder nach links zur Ruine? Er entscheidet sich für die Ruine und läuft einen steinigen Weg hinunter. Der Portikus ist niedrig und bar jeder Verzierung, und das Kapellenfundament liegt tiefer als die Türschwelle. Man geht hinein wie in eine Gruft, und dieses Gefühl muss noch quälender gewesen sein, als die Kapelle ein Dach hatte und das einzige Licht von den Altarkerzen und durch das schmale Fenster an der Stirnseite kam. Drinnen wächst Unkraut über den Boden und die wenigen Überreste skulptierten Steins. Der Reisende hat bereits einige Ruinen gesehen, aber diese hier, die zweifellos eine ist, wehrt sich dagegen, als solche bezeichnet zu werden. Man könnte sagen, die Kapelle von São Miguel hat alles, was sie braucht. Man hat sie als ein Haus Gottes errichtet, und das war sie auch, solange man sie als solches behandelte, aber ihr wahres Schicksal ist dieses, vier Wände, errichtet für Regen und Sonne, für Moos und Flechten, Einsamkeit und Stille. An der Nordseite befinden sich zwei leere Nischen und auf dem Boden Sarkophage ohne Abdeckung, in denen das Wasser steht. Richtung Osten liegt der Berghang und, so weit das Auge reicht, das Tal des Rio Pônsul und die Berge von Monfortinho. Der Reisende ist glücklich. Noch nie im Leben hatte er es weniger eilig. Er setzt sich auf den Rand eines Sarkophags und streicht mit der Hand über das Wasser, das kalt und frisch ist, und für einen Moment glaubt er, alle Geheimnisse der Welt verstehen zu können. Eine Illusion, die ihn hin und wieder überkommt, das darf man ihm nicht übelnehmen.
    Jetzt geht er zur Burg. Das Tor befindet

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