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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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sich in einer Ecke, zwischen riesigen Mauern mit Schießscharten, durch die man die gesamte Landschaft überblicken kann. Darüber weitere Mauern, die Felsen, die den bergeigenen Panzer bilden, die unzerstörbaren Schultern dieser Festung, an die der Mensch nur noch ein paar Mauerwände anbauen musste.
    Was er drinnen sieht, ist erstaunlich. Der alte Vergleich mit den Zyklopen, die die riesigen Felsbrocken zum Spaß aufeinandertürmten oder um damit das Schiff des Odysseus zu versenken, ergibt hier keinen Sinn. Schiffe gibt es hier nicht, und worin irgendein Spaß liegen könnte, ist auch nicht zu erkennen, also wüsste er nicht, was er vergleichen soll, er kann höchstens den Grad seiner eigenen, geradezu unerträglichen Bewegtheit messen angesichts dieser Burg, in der die Felsen wie Knochen aus dem Boden wachsen, große Totenköpfe, knorrige Glieder.
    Er geht zum höchsten Punkt der Mauern und spürt erst jetzt den scharfen Wind, der von weitem kommt, ein kalter Nordwind, vielleicht ist er es, der ihm die Tränen in die Augen treibt.
    Was für Menschen haben in dieser Burg gelebt? Was für Männer und Frauen haben das Gewicht dieser Mauern ertragen, was für Worte wurden von einem Turm zum anderen gerufen, was wurde auf diesen Stufen geflüstert oder über der Öffnung des Brunnens? Gualdim Pais hat hier gehaust, mit Eisenschuhen und dem Stolz eines Meisters des Templerordens. Demütige Menschen hielten mit ihren Armen und blutender Brust die Stellung. Der Reisende sucht nach Gründen und stößt auf Fragen: Warum das alles? Wofür? Nur damit ich, ein Reisender, heute hier sein kann? Haben die Dinge so wenig Sinn? Oder ist das der einzige Sinn, den die Dinge haben können?
    Er geht aus der Burg hinaus und den Abhang hinunter ins Dorf. Vor den Türen sitzen alte Männer und Frauen, so wie es in Portugal üblich ist. Sie sind Teil dieses Sinns. Ein Mann kommt dazu, ein Stein, ein Mann, ein Stein, ein Mann, wenn man nur die Zeit hätte, all das zusammenzunehmen und zu erzählen, zu hören und weiterzuerzählen, nachdem man erst die gemeinsame Sprache gelernt hat, das wesentliche Ich, das wesentliche Du, unter Tonnen von Geschichte und Kultur, sodass, wie die Knochen in der Burg, der ganze Körper Portugals zum Vorschein käme. Ach, der Reisende träumt und träumt, aber es sind nur Träume, und sie sind schnell vergessen, jetzt, da er die Ebene erreicht und Monsanto, die Einsamkeit, der Wind und die Stille hinter ihm zurückbleiben.
    Wenn die Landschaft schön ist, ist man geneigt, langsamer zu fahren. Diese hier, flach, wie sie ist, würde nicht einmal den reinsten Stadtmenschen dazu bringen, anzuhalten. Trotzdem fährt der Reisende, der kein reiner Stadtmensch ist, als zöge er einen der großen Steine aus Monsanto hinter sich her oder als hielte ihn die Erinnerung an dort oben fest. Mit viel Mühe durchquert er Medelim, die Menschen kommen auf ihn zu und fragen, welche Last er da trage, das alles spielt sich nur in seinem Kopf ab, aber es könnte auch wahr sein, denn immerhin ist er auch geflogen, im Traum.
    Das hier war einmal Egitânia, heute heißt es Idanha-a-Velha. Egitânia ist wohl die westgotische, also spätere Form des lateinischen Igaeditania, was für den Reisenden keine große Rolle spielt, es erinnert ihn lediglich daran, dass die Vergangenheit dieser Orte sehr weit zurückreicht. Dieses Dorf ist so alt, dass es unterwegs verlorenging und sich vielleicht bedauerlicherweise heute immer noch nach der Sonnenuhr richtet, die ihm im Jahre 16 v. Chr. von Q. Jálio Augurino überreicht wurde, über den weiter nichts bekannt ist. Die Straßen von Idanha-a-Velha sind breit, aber so nackt und öde, dass der Reisende meint, auf dem Mond zu sein. Er sucht die urchristliche Basilika oder westgotische Kathedrale, wie sie auch heißen mag, und findet eine Ruine hinter Maschendraht. Das ist sie.
    Er schaut nach einer Lücke und findet sie ein Stück weiter, dort, wo der Zaun auf eine Mauer trifft, die den verlassenen Ort von dieser Seite einfasst. Es sind Zeichen von Ausgrabungen zu sehen, das Fundament liegt bloß, aber alles ist von Unkraut überwuchert, und die Basilika selbst, die natürlich geschlossen ist, steht in einem Dickicht, umgeben von Steinen, von denen einige nichts zu bedeuten haben, andere hingegen vielleicht sehr viel. Durch die Fensteröffnungen versucht er hineinzusehen und kann eine halbe Säule ausmachen, sonst nichts. Ein bisschen wenig für jemanden, der von weit her gekommen ist. Aber

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