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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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draußen stehen, etwas tiefer gelegen und ein Stück weiter links vom Eingang, unter einem einfachen Holzverschlag, der weder Tür noch Schloss hat, die Taufbecken.
    Wer ist für dieses Elend verantwortlich? Die Feuchtigkeit und das glitschige Moos zerfressen das mürbe Holz der Becken, ein großes, wahrscheinlich für Erwachsene, und zwei ganz kleine für die Kinder, mit Ausgüssen, die aussehen wie kleine Stühlchen. Der Reisende fühlt sich zerknittert wie eine alte Zeitung, mit der man die Schuhspitze ausgefüllt hat. Der Vergleich ist sicher heikel, aber als heikel könnte man auch den Geisteszustand des Reisenden bezeichnen angesichts dieses Verbrechens, dieser infamen Nachlässigkeit: Er empfindet Zorn, Trauer, Schande, er kann nicht glauben, was seine Augen da sehen. In diesem Schuppen, in dem man nicht einmal Werkzeug oder Zementsäcke aufbewahren würde, steht, unter den eben aufgeführten deprimierenden Bedingungen, eine vierzehn oder fünfzehn Jahrhunderte alte Kostbarkeit. So kümmert sich Portugal um sein kulturelles Erbe. Beinahe verletzt sich der Reisende noch an der Öffnung des Drahtzauns. Das römische Tor, das zum Ufer des Rio Pônsul zeigt, ist so gut restauriert, die Steine so solide zusammengesetzt, dass sich der Reisende fragt, wie es zu solch einer Diskrepanz kommen kann.
    Der Reisende sieht nach dem Stand der Sonne und stellt fest, dass es Zeit ist zu gehen. Er fährt hinunter nach Alcafozes, dann Richtung Westen, nach Idanha-a-Nova, ebenfalls ein sehr alter Ort, obwohl der Name das Gegenteil andeuten will. Mit der Schwester verglichen ist er jedoch ein Kind: Gegründet hat ihn Gualdim Pais im Jahre 1187, als Dom Sancho I. König war. Von der einstigen Burg sind nur Ruinen übrig, aber die will der Reisende nicht sehen. Das fehlte gerade noch, nach Monsanto. In Erinnerung geblieben sind ihm die über einer Schlucht errichteten Häuser am Ortseingang und der Palast des Marquis von Graciosa, der sehr hübsch ist, aber auch nicht viel mehr. Der Reisende will gerade weiterfahren, als ihm plötzlich eine Mauer ins Auge springt und ihn zum Halten zwingt. Sie ist ein niedriges Mäuerchen und teilt uns auf zwei Arten mit, was sie ist, einmal mit einem Herzen, darin ein Pfeil, und dann, ein paar Meter weiter, noch deutlicher: »Mauer der Verliebten«. Die Verliebten von Idanha-a-Nova haben es gut. Wenn sie weder ein noch aus wissen, müssen sie nur zu dieser Mauer gehen: Solange auf den Pfaden der Liebe die Treffpunkte ausgeschildert sind, werden sich immer zwei verwandte Seelen finden.
    Da es auf dem Weg liegt, fährt der Reisende nach Proença-a-Velha, wovon er sich allerdings nicht viel erhofft. Er unterhält sich mit ein paar Frauen, die im Schutze einer Mauer auf kleinen, niedrigen Stühlen sitzen und stricken, und geht dann weiter. Der Kirchhof von Proença-a-Velha ist so groß, dass man dort Tanzveranstaltungen abhalten könnte, falls es hier erlaubt sein sollte, das Sakrale mit dem Profanen zu vermischen. Der Reisende hat nicht danach gefragt. Er beschließt, das schöne Licht des späten Nachmittags zu nutzen und einen Blick auf das Tal des Rio Torto zu werfen, den man von hier aus nicht sieht, aber erahnen kann, wenn man weiß, dass er dort liegt. Danach lehnt er lange an einer Mauer, die viel eher den Namen der vorigen verdient hätte, denn von der anderen Seite strömt der betörendste Blütenduft herüber, der je einem Reisenden in die Nase gedrungen ist. Verglichen damit ist die Akazie von Vermiosa ein ordinäres Riechfläschchen.
    Bis Fundão hält er nicht mehr an. Der Tag geht dem Ende entgegen. Ab Vale de Prazeres kann man die Cova da Beira sehen. Eine sehr fruchtbare Gegend, die zu dieser Stunde wunderschön ist. Über ihr liegt ein leichter Nebelschleier, der die Sicht nicht behindert, nur alles etwas verschwimmen lässt, ein unbestimmter Dunst, der vom Himmel herabsinkt oder vom Boden aufsteigt. Zu beiden Seiten, gleich den Ebenen eines Bildes, wechseln sich Baumreihen mit bewirtschafteten Feldern ab. Eine Landschaft wie auf einem alten Gemälde, wer weiß, vielleicht hat sich hier Vasco Fernandes inspirieren lassen, von den Farben, dem Nebel und der weiblichen Sanftheit, die den Reisenden dazu verführt, sich zu strecken und wohlzufühlen und nicht mehr an Monsanto zu denken.

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    Die Nacht ist kalt in der Senke, in der Fundão liegt. Aber nicht nur deswegen hat der Reisende schlecht geschlafen. In dieser Gegend, nicht genau hier, aber doch in spürbarer

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