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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Centum Cellas. Damals hieß Capinha noch Talabra, was eine Nähe zum kastilischen Talaveras vermuten lässt, aber vielleicht entspringt das auch nur der linguistischen Phantasie des Reisenden, der sehr viel weniger gebildet ist, als es manchmal scheinen mag. Capinha ist ein angenehmes Dorf, in dem man schnell findet, was man sucht. Kaum ist der Reisende ausgestiegen und hat den erstbesten Passanten nach der römischen Straße gefragt, begleitet ihn dieser auch schon ein Stück und zeigt ihm, wo es weitergeht, die Straße dort hinauf, über die Felder rüber, und dann sind Sie da. Der Passant war der Pater des Ortes, ein junger, aufgeschlossener Mann, mit dem der Reisende noch lange Gespräche führen sollte, zwar nicht in diesem Fall, aber es nahm zumindest seinen Anfang. Als der Reisende von der römischen Straße zurückkommt, macht er eine weitere Bekanntschaft, ein ehemaliger Taxifahrer aus Lissabon, der ihm die Brunnen von Capinha zeigen will, wahrscheinlich aus dem 18. Jahrhundert. Ein politisch begeisterter Mann, der seine Heimat liebt, sowohl die, in der er lebt, als auch die, in der wir alle leben. Der Reisende ist ein reicher Mann, wo immer er hinkommt, findet er Freunde.
    Der Reisende fährt über den Meimoa und weiter nach Penamacor durch scheinbar unbewohntes Land, mit weitem Horizont, wellenförmigen Hügeln und spärlicher Vegetation. Eine melancholische Landschaft, oder vielleicht einfach indifferent, weder wilde Natur, die sich dem Menschen widersetzt, noch wohlwollende, die sich ihm längst ergeben hat. In Penamacor speist der Reisende bei Discomusik in rustikalem Ambiente. Weder die Musik noch das Rustikale passt zu den Gästen, aber niemand stört sich daran. Der dumpfe Beat der Discomusik scheint die Ohren der Familie aus Benquerença, die dort zu Mittag isst, nicht zu beleidigen (die beiden älteren Frauen haben verblüffend schöne Gesichter), und der Reisende ist inzwischen Lokale gewohnt, in denen noch lautere Musik gehört wird. Das Essen selbst ist weder gut noch schlecht.
    Nie zuvor kam ihm das Manuelinische so schier dekorativ vor wie in der Igreja da Misericórdia in Penamacor. Die praktisch nicht vorhandene Tiefe des Portikus wie auch die Verlängerung der äußeren Säulen, die erst eine Archivolte und über ihrem logischen Abschluss dann eine kuppelartige, orientalisch anmutende Form bilden, verstärken diesen Eindruck noch. Allerdings ist die Harmonie der verschiedenen Elemente im Portal unleugbar: Die Einfassung, das verflochtene Stabwerk und die Rosetten zeugen durchaus von einer gewissen Originalität. Die weiter oben liegende Burg hält sich ein bisschen versteckt, und der Reisende gibt sich auch keine große Mühe, zumal ein Hund von der Größe eines Löwen ihn mit ohrenbetäubendem Bellen im Visier hatte, ihn, der keiner Fliege etwas zuleide tut. Er sieht sich das Rathaus an, begibt sich dann aber lieber in den unteren Teil des Dorfes. Dort erfreut er sich an den Arabesken der Säulen im Schiff der Pfarrkirche und fährt weiter.
    Jetzt geht es nach Monsanto. Die Landschaft ändert sich erst hinter Aranhas und Salvador, wo sich die Berge von Penha Garcia und nach Südosten hin in derselben Linie wie die von Monfortinho erheben. Der Reisende biegt Richtung Süden ab, er hat sein Ziel, und niemand wird ihn davon abbringen. Es gibt Orte, durch die man kommt, und andere, zu denen man fährt. Monsanto gehört zu Letzteren. Als nationaler Mythos, das unschuldige Modell eines von der Idylle eines paternalistischen und konservativen Ruralismus vergifteten Portugals (der Reisende hasst Adjektive, aber manchmal lassen sie sich nicht vermeiden), ist Monsanto einerseits weniger, andererseits mehr, als er erwartet hatte. Er hatte mit Schieferdächern gerechnet, stattdessen sind überall die praktischeren Tonziegel zu sehen. Die krummen, dunklen und in dieser feuchten Zeit glitschigen Gassen, die er sich vorgestellt hatte, sind, wenn sie krumm sind, auf jeden Fall nicht dunkel, und wenn sie dann doch dunkel sind, geben sie sich einen pittoresken Anstrich. Hier ist der Tourismus eingezogen und hat gesagt: »Benimm dich jetzt.« Monsanto hat getan, was möglich war. Verglichen mit vielen Dörfern in Trás-os-Montes oder dem oberen Teil der Beira wirkt Monsanto wie geleckt, womit natürlich nur wiedergegeben ist, was das Auge sieht. Der Reisende sagte es bereits und wiederholt es an dieser Stelle: Reisen sollte bedeuten, länger an einem Ort zu bleiben. In Coimbra wollte er in die Häuser der

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