Die Portugiesische Reise (German Edition)
fährt denselben Weg zurück, den er gekommen ist, und in Malhadas gerät er in Versuchung, der Einladung zum Essen nachzukommen, aber er traut sich nicht, auch wenn er weiß, dass er das später bereuen wird. In Duas Igrejas leben die Stocktänzer, die sogenannten pauliteiros . Er erfährt rein gar nichts über sie; aber es ist auch nicht die richtige Uhrzeit, um Tänzer mit ihren Stöcken durch die Gegend laufen zu sehen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Reisende ein Recht auf seine Phantasien hat, und der Gedanke, wie viel schöner und aufregender doch dieser Tanz wäre, kreuzten die Männer statt ihrer Stöckchen Säbel oder Dolche, existiert nicht erst seit gestern. Dann hätte auch unser Menino Jesus da Cartolinha einen guten Grund, einen militärischen nämlich, dieser Armee bestickter Westen und Halstücher einen Besuch abzustatten. Das ist das Problem mit dem Reisenden: Das Gute ist ihm nie genug. Die pauliteiros mögen es ihm verzeihen.
Als er nach Sendim kommt, ist Mittagszeit. Was und wo soll er essen? Jemand sagt zu ihm: »Gehen Sie die Straße dort bis zum Ende. Sie kommen auf einen Platz, und da gehen Sie ins Restaurante Gabriela. Fragen Sie nach Senhora Alice.« Diese Vertrautheit gefällt dem Reisenden. Die Kellnerin sagt, Senhora Alice sei in der Küche. Der Reisende späht durch die Tür, großartige Essensdüfte liegen in der Luft, in einem Kessel köchelt Gemüse, und von der anderen Seite des großen Tisches, der in der Mitte des Raumes steht, fragt ihn Senhora Alice, was er essen wolle. Der Reisende ist es gewohnt, eine Speisekarte zu bekommen und daraus misstrauisch etwas auszuwählen, und jetzt muss er fragen, was es gibt, und Senhora Alice empfiehlt ihm das Kalbsfilet à la Mirandesa. Der Reisende ist einverstanden, setzt sich an seinen Tisch, und als Appetithappen bringt man ihm eine deftige Gemüsesuppe, Wein und Brot. Was ist das für ein Kalbsfilet? Und warum überhaupt Filet? In was für einem Land bin ich hier eigentlich, fragt der Reisende seinen Wein im Glas, der nicht antwortet, sich aber gütigerweise trinken lässt. Zum Fragen ist kaum Zeit. Auf einer Platte kommt das riesige Kalbsfilet; es schwimmt in einer Essigsoße und muss in der Mitte durchgeschnitten werden, damit es auf den Teller passt, sonst würde es auf das Tischtuch tropfen. Der Reisende glaubt zu träumen. Butterweiches Fleisch, genau richtig gebraten, und diese Soße, die die Wangenknochen schimmern lässt, der fleischliche Beweis dafür, dass der Körper Glück empfinden kann. Der Reisende isst in Portugal, vor seinem Auge sieht er vergangene und zukünftige Landschaften vorbeiziehen, während er Senhora Alice aus der Küche rufen hört und das Serviermädchen lacht und die Zöpfe schüttelt.
Ein Himmelbett und schlechte Straßen
Der Reisende stammt aus einer flachen Gegend, weit unten im Süden, und da er nicht viel über die Berge weiß, hatte er sie sich größer vorgestellt. Das wurde bereits gesagt und soll hier noch einmal erwähnt werden. Sicherlich mangelt es nicht an Erhöhungen, aber es sind doch alles Hügel in einem einheitlichen Bild, wirklich hoch nur in Relation zum Meeresspiegel, sonst Schulter an Schulter ordentlich im Profil nebeneinander aufgereiht. Erst wenn der eine oder andere sich ein wenig höher hinauswagt, bekommt der Reisende einen Eindruck von Größe, was aber eher für einen voluminösen Gebirgszug in der Ferne gilt als für das, was direkt vor ihm steht. Kommt er dann näher, ist der Unterschied doch nicht mehr so groß, aber einen kurzen Augenblick lang war es immerhin eine Verheißung.
Die Eisenbahnlinie, die die Straße entlangführt, sieht aus wie eine Spielzeugbahn oder ein Überbleibsel aus einer vergangenen Zeit. Der Reisende, dessen Kindheitstraum es war, Lokführer zu sein, kann sich nicht vorstellen, dass Lokomotive und Waggons von heute sind, sie wirken eher wie Museumsobjekte, denen der Wind, der aus den Bergen kommt, die Spinnweben nicht zu entreißen vermag. Die Linie heißt Sabor, benannt nach dem Fluss, der sich auf dem Weg zum Douro hin und her schlängelt, aber worin der Reiz dieser alten Wagen liegt, das kann der Reisende nicht sagen.
Ohne zu bemerken, dass er das Gebirge jetzt hinter sich gelassen hat, kommt der Reisende nach Mogadouro. Der Nachmittag geht zu Ende, es ist noch hell, und oben von der Burg kann man die Männer und Frauen des Ortes bei der Arbeit beobachten. Alle Hänge ringsum sind bebaut, ein Puzzle aus Feldern und Wiesen, einige
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