Die Porzellanmalerin
dennoch auf der Zunge gebrannt.
»Natürlich!« Trotz seines Augenzwinkerns war der Blick des Chinesen ernst und sein Tonfall bescheiden.
»Entschuldigen Sie!« Eine Frau hinter Friederike hatte sich unter Einsatz beider Ellbogen bis zu dem exotischen Fremden vorgekämpft. »Würden Sie dem Kleinen vielleicht mal die Hand geben?«
Die Dränglerin war elegant gekleidet, machte aber insgesamt einen eher zwiespältigen Eindruck. Sie hatte einen etwa fünfjährigen Knirps vor sich hergeschoben, der mit großen Augen sein Gegenüber anstarrte und die Hand, die der Chinese ihm reichte, gar nicht mehr loslassen wollte.
»Wir sind extra vorbeigekommen, als wir gehört haben, dass Sie hier sind«, kicherte die Dame lasziv.
Während Jan van Alphen sich noch bemühte, Mutter und Kind auf möglichst höfliche Art wieder loszuwerden, schaute Friederike sich unauffällig zwischen den großen Prunkvasen um. Blau-weiße Ming-Imitationen, Famille Rose, Famille Verte. Kakiemon und Imari. Sie kannte die unterschiedlichen chinesischen und japanischen Dekore, hatte aber noch nie so viele Deckelvasen auf einmal gesehen.
»Wir beziehen alles direkt von der Kaiserlichen Manufaktur in Jingdezhen und aus Arita in Japan.«
Endlich hatte der junge Chinese seine Bewunderer abgewimmelt. Sein Onkel war zu seinem Stand zurückgeeilt, um einen Geschäftspartner zu begrüßen. Friederike betrachtete eine Jardinière mit Päonien, Chrysanthemen, Grashüpfern und Schmetterlingen. Die dominierende Farbe war das leuchtende Rosa des Famille-Rose-Stils. Plötzlich entdeckte sie ein Dekor, das sie noch nie zuvor gesehen hatte.
»Diese Sachen kommen aus Korea«, beantwortete Jan van Alphen beflissen ihre Frage, noch bevor sie sie hatte stellen können. »So etwas haben wir leider nur sehr selten. Wir haben extra für einen unserer Kunden nach koreanischem Porzellan gesucht.«
Zu gern hätte sie gewusst, wer der Auftraggeber war, aber Jan schien sich nicht weiter dazu äußern zu wollen.
»Diese Technik nennt man Sanggam«, fuhr er fort. »Vor der Glasierung werden die Vertiefungen im Dekor mit weißem oder schwarzem Schlicker aufgefüllt.« Er hatte eine grünliche Schale mit dunklen Ranken in die Hand genommen. »Das ist typisch koreanisch. Eine sehr kostbare Schale aus der Koryu-Zeit.« Dann zeigte er auf eine weiße Vase mit eisenroter Unterglasurmalerei: »Die kommt auch aus Korea. Yi-Dynastie.«
Was für eine Eleganz in den Formen! Was für eine präzise Pinselführung! Welch ungewöhnliche Farbzusammenstellung! Friederike wusste kaum, wie sie ihrer Begeisterung Herr werden
sollte, so fasziniert war sie von der Perfektion, mit der diese asiatischen Meisterstücke hergestellt waren. Und dabei wirkten sie nicht im Entferntesten künstlich oder nicht von Menschenhand geschaffen. Man konnte die Liebe, die die Kollegen aus Fernost bei der Arbeit beflügelt haben musste, förmlich durch das zarte Porzellan hindurchschimmern sehen. Als besäßen die Schalen, Vasen, Jardinièren selbst eine Art Seele! Sie hatte geglaubt, schon einiges an Fachwissen über die Kunst der Porzellanmalerei angehäuft zu haben. Während der letzten Monate hatte sie manche Stunde »Nachhilfeunterricht« bei Johannes Zeschinger genossen, und auch Benckgraff persönlich hatte sich immer wieder dazu hinreißen lassen, ihr von seinen langjährigen Erfahrungen in seinem Beruf zu berichten. Aber was der junge Chinese ihr nun so ganz en passant erklärte, gab ihr das Gefühl, lediglich ein blutiger Anfänger zu sein.
»In Asien werden übrigens dringend europäische Maler gesucht. Falls Sie sich irgendwann mal verändern wollen …«, wechselte Jan van Alphen diskret das Thema.
»Wo genau?«, fragte Friederike sogleich und versuchte sich ihr Interesse nicht anmerken zu lassen. Sie hielt den Blick fest auf die koreanische Vase geheftet.
»In Jingdezhen. Das liegt in China. Wenn Sie so wollen: die Hochburg des chinesischen Porzellans. Wissen Sie, Europa ist ein guter Absatzmarkt für asiatische Ware. Bis auf die koreanischen Teile ist alles, was Sie hier sehen, speziell für den Export angefertigt. Aber leider haben die chinesischen Maler meistens Schwierigkeiten, die Bestellungen aus Europa richtig umzusetzen. Sie können weder europäische Gesichter noch europäische Tiere oder Blumen malen.«
Bevor sie etwas erwidern konnte, hatte Mijnheer van Alphen sich wieder zu ihnen gesellt. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, und sein Atem ging keuchend, als hätte er sich
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