Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
Vom Netzwerk:
Chinesische Potenzpillen, orientalische Lustkugeln, Kondome …«
    Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, ließ sie den Mann stehen, der sich gleich auf den nächsten Kunden stürzte. Hinter dem Fahrtor drückte ihr eine Frau mit tief ausgeschnittenem Mieder einen Zettel in die Hand: »Die Sensation: das dreiköpfige Kalb! Besichtigung zu jeder vollen Stunde auf dem Rossmarkt. Eintritt 1 Kreuzer«, las sie. Soweit sie sehen konnte, war der ganze Römerberg voller Buden und Menschen. Ein Bürstenmacher redete auf sie ein, um sie für seinen Stand zu interessieren. Als sie sich endlich zu den traditionell für die Stände der Luxusgüter reservierten Römerhallen durchgekämpft hatte, fühlte sie sich ganz erschlagen, obwohl sie nur wenige Schritte zurückgelegt hatte. Sie drängelte sich vorbei an Buden mit Diamanten, Perlen, Gold- und Silberschmuck, Schweizer Uhren, kostbaren Tapisserien, Brokat- und Seidenstoffen. In einem kleinen Hof hinter der Römerhalle fand sie endlich die Porzellanstände. Sie musste blinzeln, als sie aus der Dunkelheit der Halle in den sonnigen Hof trat.
    »Herr Rütgers!«, scholl ihr ein herzlicher Willkommensgruß entgegen. Erstaunlich schnell für seine untersetzte Gestalt stürzte Mijnheer van Alphen auf sie zu und schüttelte mit beiden Händen ihre Rechte.

    »Wie schön, dass wir uns endlich wiedersehen! Ich hatte so gehofft, Sie hier zu treffen! Was meinen Sie, was meine Frau und die Mädchen mich die ganze Zeit gelöchert haben: Was macht Herr Rütgers? Warum kommt er uns nicht mal besuchen? Warum hast du ihn überhaupt gehen lassen? So ein netter junger Herr …«
    Die Wiedersehensfreude war gegenseitig. Auch sie war froh, gleich nach ihrer Ankunft ein bekanntes Gesicht entdeckt zu haben, zumal sie immer wieder gern an die Wochen in der Hanauer Fayencemanufaktur zurückdachte. Kaum hatten sie sich darüber ausgetauscht, was sich seither ereignet hatte, ergriff Mijnheer van Alphen auch schon ihren Arm und zog sie mit sich.
    »Und nun müssen Sie meinen Neffen kennenlernen!«
    Er führte sie zu einem Stand, der sich gleich am Eingang der Schwanenhalle befand.
    »Leider ist der Junge immer so beschäftigt …«, murmelte er enttäuscht, als sie das dichte Gedränge vor dem Verkaufstresen sahen.
    Mehrere prächtig gekleidete Herren, die auf Friederike den Eindruck machten, als wären sie die Abgeordneten eines großen Fürstenhauses, schienen jedoch in dem Moment ihr Geschäftsgespräch beendet zu haben. Die Dreispitze unter den Arm geklemmt, zogen sie sich unter mehrfachen Verbeugungen zurück und mischten sich unter die Menge.
    »Jan, lass mich dir meinen lieben Freund Friedrich Christian Rütgers vorstellen, einen ganz besonders begnadeten Porzellanmaler aus Meißen. Leider sind wir nur kurz in den Genuss seiner Mitarbeit gekommen, weil der Herr es vorzog, für die Höchster Porcellaine-Fabrique zu arbeiten …«
    Der dunkelhaarige Standinhaber in dem pflaumenfarbenen Rock hatte sich interessiert zu Friederike umgewandt. Er hielt eine blau-weiße chinesische Bodenvase in der Hand, die er vorsichtig auf ein Regal zurückstellte. Mit einem breiten Lächeln streckte er ihr die Hand entgegen. Vor ihr stand ein echter Chinese!

    »Jan van Alphen. Schön, Sie kennenzulernen! Mein Onkel hat mir schon viel von Ihnen erzählt. Sie haben die Bibelteller gemalt, die so gut weggehen«, sagte er leise mit leicht niederländischem Akzent.
    »Mein Bruder, Jans Vater, ist in Kanton mit einer Chinesin verheiratet. Er leitet die dortige Niederlassung der Ostindisch-Niederländischen Kompagnie«, beeilte Mijnheer van Alphen sich, Friederike die Verwandtschaftsverhältnisse zu erklären.
    Ein echter Chinese! Sie konnte es noch immer nicht glauben. Am liebsten hätte sie sofort ihren Zeichenstift gezückt. Jan van Alphen sah zwar lange nicht so exotisch aus wie die porzellanenen Figuren, denen sie in Meißen immer die lustig gemusterten Seidenkleider und spitzen Hütchen gemalt hatte, aber trotz seiner europäischen Kleidung und seiner westlich geprägten Art hatte er zumindest Mandelaugen und asiatische Gesichtszüge.
    »Jan ist die Hauptattraktion der Messe. Die Kinder wollen ihn anfassen, die Männer mit ihm ein Bier trinken gehen und die Frauen mit ihm schlafen.« Mijnheer van Alphen lachte dröhnend.
    »Sie denken alle, da könnten sie wer weiß was erleben.« Sein Neffe klang eher verwundert.
    »Und? Ist das tatsächlich so?«
    Vielleicht war ihre Frage ein wenig taktlos, aber sie hatte ihr

Weitere Kostenlose Bücher