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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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knabberte er an seinem Federkiel herum.
    »Am besten erzählen Sie ihm gar nichts!«, mischte sich nun Carl Bogenhausen amüsiert in ihr Gespräch. »Er verdreht sowieso immer alle Tatsachen.«
    Plötzlich sprang der Journalist wie von der Tarantel gestochen auf: Er schien im Nebenraum jemanden entdeckt zu haben.
    »Entschuldigen Sie mich«, murmelte er vor sich hin, leerte hastig seine Kaffeetasse, stopfte seine Utensilien wieder in seinen Rock und stürzte dem Mann hinterher.
    Lachend lehnte Carl Bogenhausen sich zurück.
    »Nehmen Sie es nicht persönlich«, beruhigte er die noch immer fassungslose Friederike, »er ist einfach so. Das ist schlicht seine Art. Oder sein Beruf. Oder beides. Aber jetzt erzählen Sie doch, wie es Ihnen in den letzten Monaten ergangen ist.«
    Dankbar für die Gunst des Augenblicks begann sie, ihm von ihrem Durchhänger in Hanau zu erzählen, als sie am liebsten gar nicht mehr das Bett verlassen hätte, von ihrer Arbeit in der Fayencemanufaktur, dem Brand und von Tamerlano. Wie immer,
wenn sie von dem grausamen Tod ihres geliebten Pferdes berichtete, drohte ihr auch jetzt wieder die Stimme zu versagen.
    Aus seinen dunklen Augen blickte Carl Bogenhausen sie mitfühlend an.
    »Mein Gott, da haben Sie ja was mitgemacht!«, bemerkte er nur.
    »Aber jetzt habe ich es geschafft!«, nickte sie, schon wieder bester Dinge. »Jetzt darf ich den ganzen Tag malen, so lange wie ich den Pinsel halten kann, und noch dazu habe ich eine gemütliche Stube bei einer sehr netten Vermieterin gefunden.«
    »Gratuliere! Das freut mich für Sie! Wovor auch immer Sie damals davongelaufen sind: Es scheint sich gelohnt zu haben.«
    Seine Miene hatte einen nachdenklichen Ausdruck angenommen, so als wollte er dem Gespräch eine andere Wendung geben, doch das Hüsteln des livrierten Kellners, der unbemerkt an ihren Tisch getreten war, ließ ihn nicht zu Wort kommen.
    »Entschuldigen Sie bitte die Unterbrechung, werter Herr Bogenhausen. Wir servieren gleich das Mittagessen. Wir könnten Ihnen heute frisch gefangenen Mainbarsch mit Bratkartoffeln anbieten.« Wieder sprach er mit ihm, als handelte es sich bei Carl Bogenhausen um eine hochgestellte Persönlichkeit.
    »Sie bleiben doch noch zum Essen, nicht wahr, Herr Rütgers?«
    Friederike bejahte. Sie hatte inzwischen großen Hunger.
    »Das stelle ich mir wunderbar vor, seinen eigenen Weg zu gehen«, bemerkte Carl Bogenhausen, nachdem sie ihre Bestellung aufgegeben hatten. »Sie sind das, was man einen freien Menschen nennen würde.« In seiner Stimme schwang Bewunderung mit. Er hob sein Weinglas. »Auf Sie, Herr Rütgers!«
    »Ich arbeite bis zu zwölf Stunden am Tag. Da ist man nicht so frei!«, beeilte sie sich, seiner Begeisterung einen Dämpfer zu versetzen.
    »Aber Sie müssen auf niemanden Rücksicht nehmen. Wie viele Menschen auf der Welt haben dieses Glück?« Gedankenverloren sprach er weiter, ohne ihre Antwort abzuwarten: »Wahrscheinlich
muss man tatsächlich seine Heimatstadt verlassen, um frei zu sein. Sämtliche Bindungen hinter sich lassen. Wir haben ja alle einen festen Platz in der Gesellschaft. Alles ist für uns geregelt. Welche Kleidung wir tragen, welchen Beruf wir ergreifen, wen wir heiraten - alles ist festgelegt. Sie können sich das vielleicht nicht vorstellen, wie das ist, von seinem Stand und seiner Familie eingeengt zu werden. Oder doch?«
    Forschend betrachtete er ihr Gesicht.
    »Natürlich kann ich mir das vorstellen! Deshalb bin ich ja weg aus Meißen. Ich wollte mir nicht von meiner Familie vorschreiben lassen, was ich zu tun und zu lassen habe.«
    »Ach … Was macht denn Ihre Familie?«
    Sie hatten sich beide vorgebeugt, sodass ihre Köpfe fast zusammenstießen. Im Hintergrund war Stimmengewirr, das Klappern des Bestecks auf den Zinntellern und das Aneinanderklicken der Billardkugeln zu hören.
    »Mein Vater hat eine Verlagsbuchhandlung und eine Druckerei.«
    »Wie interessant! Aber wieso sind Sie davor weggelaufen? In so einer reizvollen Branche würde ich liebend gerne arbeiten.«
    »Aber ich wollte malen! Verstehen Sie? Und …«, fügte sie nach kurzem Stocken hinzu, »meine Eltern haben erwartet, dass ich die Tochter eines Kollegen meines Vaters aus Leipzig heirate.«
    »Dann verstehe ich in der Tat, dass Sie weg wollten!«
    Seine Miene hatte sich schlagartig verdüstert. Schweigend filettierte er seinen Fisch und blickte erst wieder auf, als er sah, dass Friederike Unmengen von Pfeffer auf ihren Barsch rieseln ließ.
    »Wie

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