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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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Mijnheer van Alphen wenigstens mit einem halben Ohr zuzuhören, der sich mittlerweile genüsslich über die von Löwenfinck’schen Experimente in Straßburg ausließ. In Wirklichkeit drehten sich ihre Gedanken so schnell wie ein Karussell.
    »Hier finde ich dich, Carl!«
    Ein sehr junger Mann, fast noch ein Knabe, in einem weiten Rock, der seine schwarzen Locken offen trug, war im Türrahmen des Lokals aufgetaucht. Sämtliche Augenpaare folgten ihm, während er mit fliegenden Rockschößen den Raum durcheilte und vor dem Tisch des Mannes stehen blieb, den sie als Richard Hollweg kennengelernt hatte. Umständlich holte er eine dicke Kladde aus der Innentasche seines Rocks, um dann ebenfalls eine Feder, ein kleines Tintenfass und einen Sandstreuer daraus hervorzuzaubern.
    Die Standuhr mit dem Löwenkopf schlug zwölf. Erschrocken starrte Mijnheer van Alphen auf seine Taschenuhr.
    »Schon so spät!«, rief er aus. »Ich bin mit ein paar Hamburger Kaufleuten im ›Haus zum Grimvogel‹ verabredet. Sie wollen unsere Sachen in Kommission nehmen. Ich muss los. Man kommt ja kaum vom Fleck bei dem Andrang. Wir sehen uns später!«
    Im Hinausgehen drückte er dem Kellner eine Münze in die Hand.
    Als hinge sein Leben davon ab, dass Hollweg alias Bogenhausen jede einzelne Silbe seiner Rede mitbekam, sprach der schwarzlockige Jüngling auf diesen ein. Mit dem Gänsekiel, den er wie einen Wurfspieß in der Hand hielt, zielte er immer wieder auf sein Gegenüber.
    Beide Männer verstummten, als Friederike an ihren Tisch trat.

    »Sie wünschen?«, fragte ihr Retter höflich, aber alles andere als einladend. Nichts in seinem Gesicht deutete darauf hin, dass er sie wiedererkannte. Seine Miene war glatt und höflich, wie einem Fremden gegenüber.
    Warum erkannte er sie nicht? Wie konnte er sie so schnell vergessen haben? Schließlich rettete man nicht alle Tage jemandem das Leben und teilte anschließend mit ihm Zimmer und Bett! Oder wollte er einfach nicht, dass sie ihn ansprach und sich womöglich auf seinen falschen Namen bezog?
    »Entschuldigen Sie, Herr … äh, Herr Bogenhausen, aber sind wir uns nicht kürzlich in Hanau begegnet?«, fragte sie unsicher.
    »In Hanau?« Der Angesprochene runzelte die Stirn, als müsste er sich besinnen. »Aber natürlich - Friedrich Christian Rütgers«, lächelte er dann, »der Porzellanmaler!«
    Erfreut ergriff er ihre Hand und deutete auf den Platz ihm gegenüber.
    »Josef Kornfeld vom L’Avant Coureur «, stellte sich der Mann mit den wilden Locken unaufgefordert vor. »Und - was gibt’s Neues im Porzellangeschäft?« Aus seinen tief liegenden schwarzen Augen sah er sie durchdringend an. »Wissen Sie, ich brauche noch ein bisschen Klatsch für meinen Bericht. Das mögen unsere Leser nämlich besonders gern. Der gute Herr Bogenhausen liefert mir leider mal wieder so gar nichts Interessantes!«
    Halb empört, halb belustigt schien Carl Bogenhausen etwas entgegnen zu wollen, doch der Journalist schenkte ihm keine Beachtung, sondern drang ungerührt weiter in Friederike ein.
    »Wer ist in der teuersten Kalesche angereist? Wer hat die prächtigste Kleidung? Wer gibt die größten Empfänge? So etwas wollen die Leute wissen!« Die ganze Zeit, während er sprach, wanderten seine Augen unruhig durch den Raum, als hätte er Angst, etwas Wichtiges zu verpassen. »Also, Herr Rütgers, was haben Sie mir zu berichten? Denken Sie gut nach, ich brauche Fakten. Spektakuläre Fakten wohlgemerkt, keine Belanglosigkeiten!«, fügte er mit einem kleinen Grinsen in Bogenhausens Richtung hinzu.

    Was wollte dieser Mann von ihr? Konnte er sie nicht in Ruhe lassen? Sie wollte ihr Wiedersehen mit Richard Hollweg alias Carl Bogenhausen feiern und keine indiskreten Fragen beantworten.
    »Ich habe heute mit einem Chinesen gesprochen«, erwiderte sie zögernd, um den Journalisten zum Schweigen zu bringen.
    »Ein Chinese? Das klingt in der Tat nicht uninteressant …« Kornfeld schien zu überlegen. »Hatte er einen Hofstaat dabei? Konkubinen? Sanfte Knaben? Wilde Tiere?«
    »Das weiß ich nicht!« So eine Unverfrorenheit! Jetzt reichte es aber! Am meisten ärgerte sie sich über sich selbst, dass sie sich überhaupt aus der Reserve hatte locken lassen. »Er ist Kaufmann und heißt Jan van Alphen«, bemerkte sie kurz und abschließend.
    »Jan van Alphen?« Josef Kornfeld sah schlagartig gelangweilt aus. »Das klingt kein bisschen chinesisch. So was können wir nicht bringen. Da ist nichts Besonderes dran.« Enttäuscht

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