Die Porzellanmalerin
fortfuhr:
»Sie haben sicher schon von dem Feuer in der Schreibstube gehört. Zum Glück habe ich von sämtlichen Unterlagen, die verbrannt sind, schon vor ein paar Monaten Abschriften anfertigen lassen.« Er lächelte müde. »Ich habe ja schon selbst geglaubt, unter Wahnvorstellungen zu leiden, zumal Johannes mich mit seiner Unkerei fast verrückt gemacht hat. ›Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste‹, habe ich mir irgendwann gesagt und in weiser Voraussicht die ganzen Dokumente zur Abschrift gegeben. Ein Heidengeld hat mich das gekostet. Aber wie man sieht,
es hat sich gelohnt. Der Brand ist also letztlich keine Katastrophe für uns, aber nehmen wir ihn als Warnung.« Mit ernstem Gesicht blickte er sie an. »Hier stimmt was nicht, irgendjemand treibt hier ein böses Spiel mit uns! Bitte seien daher auch Sie in Zukunft einmal mehr auf der Hut! Und unterrichten Sie mich, wann immer Ihnen etwas Ungewöhnliches auffällt!«
Friederike nickte eifrig. Sie wollte etwas erwidern, aber Benckgraff ließ sie nicht zu Wort kommen.
»Wie Sie wissen, steht die Ostermesse vor der Tür. Unsere Anwesenheit dort ist natürlich mehr als gefragt. Wir müssen uns präsentieren, der Welt zeigen, was in dem kleinen, unbekannten Höchst für Kunstwerke entstehen. Bisher weiß das ja noch niemand.«
Vor Ungeduld hielt sie es kaum mehr aus:
»Herr Benckgraff, darüber wollte ich auch mit Ihnen sprechen!«
»So?« Wieder warf der Manufakturdirektor ihr einen prüfenden Blick zu. »Sie wollten mit mir über die Messe sprechen?«
»Ja, ich wollte Ihnen sagen, dass ich unbedingt mit auf die Messe kommen möchte. Zum einen natürlich, um unsere Waren zu präsentieren und zu verkaufen. Aber zum anderen wäre es sicher nicht verkehrt, wenn wir uns ein wenig bei der Konkurrenz umschauten.«
Sie hatte das Blitzen in Benckgraffs Blick bemerkt, aber sie wollte sich nicht schon wieder von ihm unterbrechen lassen.
»Was mich besonders interessieren würde, wären die Produkte aus Vincennes. Die Kollegen in Meißen haben schon vor Monaten davon gesprochen, dass die Pompadour nicht zu unterschätzen sei. Ich glaube, vor allem was die Farben betrifft, sind die Franzosen uns um Längen voraus!«
»Da könnten Sie recht haben«, brummte ihr Gegenüber vor sich hin. Er starrte düster auf das Chaos auf seinem Schreibtisch.
»So, Sie wollen mich also nach Frankfurt begleiten?« Er blickte wieder auf. »Eigentlich wollte ich ja Zeschinger mitnehmen,
er hat sozusagen die älteren Rechte und hätte ein wenig Abwechslung wahrlich verdient. Aber vielleicht ist es wirklich besser, wenn er hier bleibt und aufpasst, dass keine neuen Brände gelegt werden oder dergleichen Übel. Und einer muss mich ja wohl begleiten. Also gut: Dieser eine sollen dieses Jahr Sie sein.«
Er wehrte mit der Hand ab, als Friederike sich überglücklich bedanken wollte.
»Freuen Sie sich nicht zu früh, mein Lieber! So eine Messe ist kein Vergnügen, das ist harte Arbeit. Wenn Sie sich schon die Konkurrenzprodukte anschauen wollen, dann müssen Sie mir hinterher auch genau Bericht erstatten: Ich will wissen, welche neuen Formen, Farben und Dekore es gibt. Und natürlich interessiert mich auch, wie weit die anderen mit ihren Versuchen sind, Hartporzellan herzustellen. Die Wittelsbacher in München, die Württemberger in Ludwigsburg, Fürstenberg, Kassel, Berlin … Ich will wissen, wie es in Wien läuft, und wo sich Ringler und von Löwenfinck zur Zeit herumtreiben. Da, wo Ringler ist, wird es zweifellos demnächst echtes Porzellan geben, er weiß einfach zu viel. Von Löwenfinck traue ich weniger zu, aber trotzdem muss man ihn im Auge behalten …«
»Herr Benckgraff, Sie werden es nicht bereuen, mich mit dieser ehrenvollen Aufgabe betraut zu haben! Ich werde alles herausfinden, was Sie wissen wollen«, sagte Friederike feierlich.
Nur nichts über die aktuelle Meißener Produktion, fügte sie in Gedanken hinzu, denn am Stand der Meißener konnte sie sich natürlich nicht sehen lassen. Zu groß war die Gefahr, dass Georg oder irgendjemand anders da war, der sie erkennen konnte. Aber das musste sie Benckgraff ja nicht gleich auf die Nase binden.
A uf dem Rückweg an ihren Arbeitsplatz machte sie fast Luftsprünge, so sehr freute sie sich auf die Aussicht, in wenigen Tagen nach Frankfurt zur Messe fahren zu dürfen. Hoffentlich nahm Zeschinger ihr nicht übel, dass sie an seiner Stelle die
Messe besuchte, dachte sie kurz. Aber schließlich hätte der Vorschlag
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