Die Porzellanmalerin
können Sie das noch essen?«
Verblüfft starrte er auf ihren Teller.
»Ich liebe es, scharf zu essen! Endlich habe ich einmal Gelegenheit dazu. Mit meinem kleinen Malergehalt kann ich mir teure Gewürze nämlich nicht mehr leisten.«
Ob sie vor lauter Begeisterung nicht doch etwas übertrieben hatte? Zweifelnd blickte sie auf das schwarz gesprenkelte Fischfilet. Egal, da musste sie jetzt durch. Todesmutig schob sie ihre Gabel in den Mund.
»Genau richtig!«, teilte sie dem staunenden Carl Bogenhausen zwischen zwei Bissen mit. »Und welche Geschäfte macht Ihre Familie?«, erkundigte sie sich dann.
»Gewürzhandel. Wir sind sozusagen Pfeffersäcke, wie die Holländer sagen.« Er lachte.
»Wirklich?« Sie verschluckte sich fast an einer Gräte, so verblüfft war sie.
»Der Pfeffer auf Ihrem Barsch kommt aus unserem Spezereienlager. Wir beliefern den ›Lachenden Abessinier‹. Nicht nur mit Gewürzen, sondern auch mit Kaffee, Kakao und Tee. Dazu kommen Wechsel- und Anleihengeschäfte. In den Bankgeschäften liegt die Zukunft, wissen Sie?«
»Aber der Gewürzhandel muss doch eine aufregende Sache sein!« Sie spülte den scharfen Fisch mit fast genauso würzigem Wein herunter. »Sie können in fremde Länder reisen. Ständig etwas Neues sehen …«
»Sie sind ein großer Romantiker, Herr Rütgers! Das machen natürlich alles unsere Lieferanten für uns. Wir beziehen die Waren von der Ostindisch-Niederländischen Kompagnie und verkaufen sie weiter. Vor allem nach Bayern und ins Schwabenland. Nach London und Italien haben wir auch direkte Verbindungen. Dort war ich während meiner Lehrzeit bei Geschäftsfreunden. Mailand, London, Amsterdam. Aber sonst führen unsere Reisen eher nach Basel, Nürnberg oder Straßburg, wo wir eine Dependance haben.«
»Aber wenn Sie wollten, könnten Sie nach China segeln!«, ließ Friederike nicht locker.
Verträumt starrte sie vor sich hin. Plötzlich fiel ihr ein, dass auch sie die Möglichkeit hatte, nach China zu fahren, schließlich hatte man ihr soeben ein Angebot gemacht.
»Mir ist lieber, wenn die ganze Welt zu uns zur Messe nach Frankfurt kommt. Das erspart mir das anstrengende Reisen. Ich bin oft genug unterwegs.«
Sein Gesicht verdüsterte sich noch ein wenig mehr, als ein livrierter Bote vom Kellner an ihren Tisch geleitet wurde und Bogenhausen einen Brief mit einem eindrucksvollen Siegel überreichte. Nach einem flüchtigen Blick auf das Siegel legte er den Brief seufzend beiseite.
»Wir müssen eine Anleihe für das württembergische Königshaus herausgeben. Immerzu brauchen diese Höfe Geld! Aber davon leben wir natürlich sehr gut, keine Frage.«
Auch wenn im Leben ihres Retters nicht alles so reibungslos zu verlaufen schien, wie sie es bei einem gut situierten Frankfurter Bürger vorausgesetzt hätte, hatte sie dennoch den Eindruck, dass auch er ihre Anwesenheit genoss. Sie jedenfalls hätte noch Stunden so dasitzen, dem Rauschen des künstlichen Wasserfalls in der Ecke lauschen und sich über Gott und die Welt unterhalten können. Dieser Nachmittag sollte am besten nie zu Ende gehen! Endlich konnte sie wieder einmal ein wirklich interessantes Gespräch führen, das über Höchst und die Arbeit hinausging, noch dazu mit einem so vornehmen und offensichtlich wichtigen Menschen wie Carl Bogenhausen. Zwar brannte ihr noch immer die Frage auf den Lippen, warum er ihr nicht gleich von Anfang an seine wahre Identität enthüllt hatte, aber sie beschloss, die angenehme Stimmung lieber nicht zu zerstören. Carl Bogenhausen wird seine Gründe gehabt haben, sich als Richard Hollweg auszugeben, dachte sie, so wie ich meine, ihm die Wahrheit zu verschweigen.
Der Lärm von den anderen Tischen war allmählich abgeebbt. Ein Blick in den Gastraum sagte ihr, dass die meisten Händler wohl schon aufgebrochen waren, um ihren Geschäften an den Messeständen wieder nachzugehen. Auch sie sollte sich besser langsam auf den Weg machen und die Waren der Konkurrenz unter die Lupe nehmen. Um die Stände mit Meißener Ware würde
sie natürlich einen Bogen machen. Sie konnte nur hoffen, dass sie Georg nicht irgendwo über den Weg lief.
»Ich würde Ihnen gern ein wenig Pfeffer mitgeben«, riss Carl Bogenhausen sie aus ihren Gedanken.
»Was möchten Sie?«
Sie merkte erst jetzt, dass der Alkohol ihr bereits kräftig zugesetzt hatte. Immerhin war sie jetzt schon bei ihrem dritten Glas Würzwein angelangt.
»Sie wollen mir Pfeffer schenken?«, bemühte sie sich, ihre Worte deutlich
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