Die Porzellanmalerin
über dem engen Hosenbund auf und ab hüpfte. Auch der semmelblonde Junge hatte sich erhoben und eine Art Begrüßung vor sich hingemurmelt. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass sich die beiden Schreiber im Nebenzimmer ebenfalls respektvoll erhoben hatten. Sie blickte die hohen Wände hinauf: überall Regale mit Büchern und Akten oder Schrankwände mit unzähligen schmalen Schubladen. Vor dem Lehrling stand ein großer Abakus auf dem Tisch.
»Guten Tag, Alessi! Machen Sie es sich ruhig wieder bequem. Ich wollte Herrn Rütgers bloß unser Handlager zeigen.«
An den Gehilfen vorbei ging Carl Bogenhausen auf eine kleine Tür zu. Ein schwerer exotischer Geruch quoll ihnen entgegen, als er den Riegel zurückschob und ihr bedeutete, ihm in den halbdunklen Raum zu folgen.
Wie in einem Basar im Morgenland, dachte sie verzückt. Sie sah die hohen Kuppeldächer über sich, die inmitten von Körben mit bunten Gewürzen hockenden Männer mit ihren Turbanen und Wasserpfeifen. Tief verschleierte schwarz gekleidete Frauen drängten durch die engen Basargassen und feilschten mit den Händlern in einer fremden Sprache. Nur ihre kajalumrandeten Augen funkelten zwischen den Sehschlitzen hervor. Eine Karawane zog an ihr vorbei: Die hoch mit Weihrauch, Elfenbein und Palmblättern beladenen Kamele schritten majestätisch in den Hof der Karawanserei. Im Hamam ließen sich üppige nackte Schönheiten von ihren Sklavinnen mit parfümierten Ölen massieren. Nur unscharf konnte man ihre Silhouetten durch den dichten Dampf des Bades noch erkennen …
»Herr Rütgers, alles in Ordnung mit Ihnen? Sie sehen plötzlich so bleich aus!«
Carl Bogenhausen stand direkt vor ihr auf der obersten Stufe einer einfachen Holztreppe, die ins Lager führte. Seine eine Hand lag auf dem Geländer, mit der anderen hatte er ihren Arm umfasst. Sein Gesicht war nur wenige Fingerbreit von ihrem entfernt.
Sie war eine Prinzessin aus »Tausendundeine Nacht«, sie war Scheherazade, die den Sultan mit ihren Geschichten unterhielt. Der Sultan war schlank, aber muskulös, er hatte eine olivfarbene Haut, dunkle Locken, eine leicht gebogene große Nase und einen Blick voller Glut und Leidenschaft, der sie ganz schwindelig werden ließ. Schwarzes Brusthaar quoll aus seinem weit ausgeschnittenen Kaftan hervor, und auch seine schlanken Finger, die sich ihr sehnsuchtsvoll entgegenstreckten, waren von zarten schwarzen Härchen bedeckt. Gleich würde sie einen Schleiertanz vollführen, nur für ihn. Und danach würde sie ihren Mund auf seine Lippen legen und ihn küssen …
»Herr Rütgers! Ist Ihnen nicht gut? … Herr Rütgers, so sagen Sie doch was!«
Was hatte der Sultan gesagt? Aber wieso sprach er sie nicht mit ihrem richtigen Namen an? Und wieso verschwamm alles
vor ihren Augen? All diese Farben, diese Gerüche … Wie sonderbar sie sich doch fühlte!
»Hier, nehmen Sie das, und kauen Sie darauf herum! Das bringt den Kreislauf wieder in Schwung.«
Carl Bogenhausen hatte dem hohen Jutesack hinter sich eine Art Kaffeebohne entnommen und ihr einfach zwischen die Lippen geschoben.
»Danke, danke«, murmelte Friederike, nachdem sie eine Weile auf der schwarzen Bohne herumgekaut hatte. Sie rieb sich mit der Hand übers Stirn und Wangen. Zumindest der Schwindel hatte sich ein wenig gelegt. »Mir ist tatsächlich etwas blümerant. Diese ganzen Gerüche hier …«
Erleichtert lachte Carl Bogenhausen auf. Die Besorgnis war aus seinem Gesicht gewichen.
»Ja, ja, die Gerüche hier - die haben schon so manch einen zum Schwanken gebracht. Wenn man diese intensiven Aromen nicht gewöhnt ist, kann man durchaus auf seltsame Gedanken verfallen. Die Wirkung ist ähnlich wie bei einer Droge, wenn Sie so wollen. Aber jetzt kommen Sie, ich zeige Ihnen, wo sie herrühren.«
Wie selbstverständlich nahm er ihre Hand und führte sie die schmalen Stufen nach unten in die große Lagerhalle. Die Wände waren mit hohen Apothekerschränken verkleidet, die Hunderte von kleinen Schubladen enthielten.
»Hier finden Sie die Schätze der ganzen Welt.« Er zog eine der Schubladen auf. »Sehen Sie? Safran.«
Staunend blickte sie auf die winzigen roten Fäden.
»Muskatnuss.«
Er zog eine andere Schublade auf und drückte ihr eine Nuss in die Hand. Die Schale fühlte sich glatt und sanft an. Prall.
»Und hier haben wir dasselbe noch als Pulver.«
Neugierig tunkte sie ihren Finger in das hellbraune Pulver und leckte daran. Es schmeckte würzig und ein wenig staubig.
»Das sind Gewürznelken
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