Die Porzellanmalerin
Einwände sind natürlich alle richtig, Herr Kleinmüller«, beeilte sich Benckgraff, die Stimmung zu retten. »Aber wir sollten das Risiko dennoch eingehen. Diese Figuren gefallen mir ausgesprochen gut. Wo haben Sie die Vorlagen her, Herr Ebersberg? Das würde mich in der Tat auch interessieren.«
Der Manufakturdirektor hatte die Arme vor der Brust verschränkt und lehnte sich mit einem leichten Wippen gegen die Stuhllehne zurück. Selten hatte Friederike ihn so gut gelaunt erlebt.
»Die Idee dazu hatte ich schon in Meißen.« Caspar hatte sich wieder gefangen. Seine Stimme klang nun äußerst beflissen. »Aber die Meißener wollen ja alles mit vielen Schnörkeln haben, wie Sie wissen, deshalb habe ich das Modell dann letztlich doch nicht dort verwirklicht. Die Frau hat die Züge eines ganz wunderbaren jungen Mädchens, das mir vor nicht allzu langer Zeit das Herz gebrochen hat …«
Den letzten Satz hatte er mit leiser, geknickt klingender Stimme vorgebracht. Friederike schien es, als würden sowohl die beiden Maler als auch Benckgraff sie mit dezenten Seitenblicken mustern. Stur starrte sie geradeaus auf die Modelle und tat so, als wollte sie sich die kleinsten Details genau anschauen.
»Sie müssen natürlich noch bemalt werden …«
Benckgraff war ans Fenster getreten, um frische Luft hereinlassen. Es war noch immer sehr heiß im Raum.
Friederike verspürte nicht die geringste Lust, Caspars Modelle zu bemalen. Sie wollte nicht an die Szene mit ihm am Fluss erinnert werden. Abgesehen davon fand sie die Figuren so gelungen, dass jede Form von Bemalung ihrer Ansicht nach nur gestört hätte. Sie stellte sich die Liebespaare in glänzendem Weiß statt in dem bräunlichen Ton des Rohbrands vor und schüttelte vehement den Kopf.
»Für mein Gefühl sollte man sie lediglich weiß glasieren. Jeder Hauch von Farbe würde hier nur von der vollendeten Gestaltung ablenken.«
»Ein bisschen Rot, Schwarz und Rosé könnten wir schon auftragen, finde ich. Nur ganz zart«, widersprach ihr Simon Feilner. Seine hageren Züge wirkten plötzlich ganz weich.
»Wunderbar!« Benckgraff hatte sich wieder hinter seinem Schreibtisch verschanzt, ein Zeichen, dass die Unterredung für ihn beendet war. »Dann rede ich noch mit Göltz, und wir machen es so. Am besten Sie kümmern sich selbst um die Bemalung, Simon. Wir werden ja sehen, wie die Modelle auf der Michaelismesse laufen. So etwas hat niemand sonst im Programm!
Natürlich können wir die Figuren nicht einfach ausstellen. Wir werden das Ganze ein wenig zelebrieren, die Modelle zunächst zugedeckt präsentieren und dann mit viel Trara enthüllen - das wird die Kunden umso mehr zum Kauf anstacheln.«
Er strahlte über das ganze Gesicht, als er sie mit einer knappen Handbewegung entließ. Auch Caspar hatte sein selbstbewusstes Lächeln wiedergefunden. Kleinmüller hingegen schien noch immer zu überlegen, was er an weiteren Argumenten gegen Caspars Schöpfungen vorbringen könnte. Aber niemand schenkte ihm mehr Beachtung.
Friederike verließ das Zimmer als Erste. Schnurstracks begab sie sich die Treppe hinunter und setzte sich an ihren Arbeitsplatz, ohne sich auch nur einmal umzusehen. Was würde Caspar als Nächstes einfallen? Hatte er nicht schon genügend Unheil angerichtet? Würde sie das von nun an jeden Tag ertragen und ständig gute Miene zum bösen Spiel machen müssen?
An diesem Tag wollte ihr nichts mehr richtig gelingen. Ihre Hände zitterten die ganze Zeit, und sie war viel zu aufgeregt, um vernünftig arbeiten zu können. Johannes warf ihr immer wieder besorgte Blicke zu, aber er bedrängte sie nicht mit Fragen. Als sie ihre Sachen abends zusammenpackte, hatte sie lange genug nachgedacht, um zu wissen, dass sie unbedingt mit Caspar reden musste. So ging es einfach nicht weiter; sie musste ihm irgendwie klarmachen, dass sie zwar seine Freundin, nicht aber seine Geliebte sein konnte.
C aspar war schließlich derjenige, der die Initiative ergriff. Als Friederike am Abend durch das Fabriktor trat, hörte sie schnelle Schritte hinter sich. Sie drehte sich um. Ein wenig außer Atem blieb der Modelleur vor ihr stehen.
»Ja, Caspar …«, sagte sie gedehnt. Sie hatte die Hände tief in ihren Rocktaschen vergraben und blickte ihm angriffslustig entgegen. Innerlich zitterte sie noch immer, aber das konnte niemand sehen. Sie wirkte wieder ganz gefasst.
»Verzeih mir, Friederike! Wenn ich könnte, würde ich jetzt hier vor dir auf die Knie fallen. Aber das lasse
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